Samstag, 23. Juni 2012

Die DDR aus der Sicht des Auslands

Es ist immer wieder interessant, wie gewisse nationale Erscheinungen vom Ausland wahrgenommen werden.
Ebenso, wie sich diese Wahrnehmungen verändern. Eigentlich ist es überflüssig zu erwähnen, dass auch diese Wahrnehmungen subjektiv und gesteuert sind:
Verstaatlichte Geschichte
Eine Tagung in Potsdam zu »Unrechtsstaat DDR«
Von Arnold Schölzel
Im Jahresabstand lädt die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg ausländische Wissenschaftler ein, um über »Sichtweisen in europäischen Nachbarländern« auf die DDR zu diskutieren. Am Donnerstag ging es in Potsdam um das Thema »Unrechtsstaat DDR?«. Die etwa 70 Zuhörer erfuhren zunächst: Die Vokabel »Unrechtsstaat« gibt es offenbar nur im Deutschen.
Charakteristisch für den Tenor des Nachmittags war eine Bemerkung des polnischen Publizisten Krzysztof Pilawski zur Geschichtspolitik seines Landes in Sachen »Kommunismus«: »Alles ist privatisiert, nur die historischen Wissenschaften wurden verstaatlicht.« Er sprach von einer »totalen Gehirnwäsche«, die in Polen mit Bezug auf die DDR stattgefunden habe. Er machte u.a. das an den Zeiten des visafreien Besucherverkehrs in den 70ern fest, als jährlich Hunderttausende sich ein eigenes Bild vom Nachbarland machten. Aus Polen kamen zumeist, so Pilawski, katholisch Erzogene. Sie wurden mit einer anderen Rolle von Frauen in der Gesellschaft, mit sexueller Freizügigkeit, also liberalen Werten und großzügigen sozialen Leistungen konfrontiert. Heute reduziere sich das DDR-Bild in Polen auf »Stasi« und »Trabant«.
Pilawskis fröhliche Resignation war auch bei anderen Referenten zu vernehmen. Allerdings war die DDR für Westeuropäer, so der Gesamteindruck, auch bei geographischer Nähe stets enorm weit weg, so Stefan Berger, der lange in Großbritannien lehrte. Bei dem hohen Unbekanntheitsgrad blieb es dort bis heute. Ähnliches berichtete Jean Mortier aus Frankreich: Heutige Studenten kennen die französische Abkürzung RDA für DDR nicht, lediglich »Stasi«. Mortier bezeichnete das als einen »Riesenerfolg« der Medien. In Dänemark, so Thomas Wegener-Friis, wisse niemand mit dem Wort »Unrechtsstaat« etwas anzufangen. Allerdings gebe es »starke Meinungen« zur DDR. Sie diene als »Plattform für den Kampf um die Erinnerung an den Kalten Krieg«, d.h. werde als politisches Schimpfwort benutzt (»Wohnungsbau wie in der DDR«), sei aber andererseits Objekt großer Neugier. Einen ähnlich scharfen Wandel im DDR-Bild wie in Polen gebe es in Finnland, berichtete Seppo Hentilä. Gebe es »unruhige Kinder in Kitas« oder komplizierte Studiengänge, werde das darauf zurückgeführt, daß sich das finnische Bildungssystem an das ostdeutsche angelehnt habe. Forschung zur DDR existiere nicht mehr. Die Redner betonten, daß sie Menschenrechtsverletzungen in der DDR nie ignoriert hätten, den Terminus »Unrechtsstaat« (mit Ausnahme Bergers) aber für unangemessen hielten.

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