Atomkraftgegner aus CDU und CSU werben für echten Ausstieg. Sie setzen auf Vernunft ihrer Parteien. Gespräch mit Petra Pauly
Interview: Reimar Paul
Petra Pauly ist Sprecherin der »Christlichen Demokraten gegen Atomkraft« (CDAK). Die Vereinigung hat nach eigenen Angaben mehr als 800 Mitglieder aus CDU und CSU
Die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP haben angekündigt, zumindest einige Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, als dies der sogenannte Energiekonsens aus dem Jahr 2000 vorsieht. Was sagen Sie als die atompolitische Opposition der Unionsparteien dazu?Für uns, die »Christlichen Demokraten gegen Atomkraft« (CDAK), gilt unser Grundsatzpapier »Aus christlicher Verantwortung: Die nukleare Geisterfahrt beenden!«. Der Betrieb von Atomkraftwerken ist volkswirtschaftliche Idiotie. Wir sind überzeugte Anhänger und Vertreter der bei Gründung von CDU und CSU geltenden Grundsätze und kennen die gewaltigen externen Kosten der Atomenergie.
Geben sich die CDAK mit dem Ausstieg à la Rot-Grün zufrieden, oder gehen Ihre Forderungen weiter?
Dieser sogenannte Atom-Ausstieg ist ein plumper Propagandatrick von Jürgen Trittin und seinen Grünen, die damit von der eigenen Unfähigkeit ablenken wollten. Es gibt dazu eine erhellende Aussage von Walter Hohlefelder – er ist immerhin Präsident des Deutschen Atomforums und war lange Jahre Aufsichtsratsvorsitzender der E.ON Kernkraft und Vorstandsmitglied der E.ON Energie AG. Ich zitiere: »Es gibt da offenbar ein grundlegendes Mißverständnis. Über einen Ausstieg aus der Kernenergie haben wir uns mit der Bundesregierung keineswegs geeinigt. Geeinigt haben wir uns in einem Kompromiß über den sicheren Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen und ihre Entsorgung – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dem Ausstieg aus der Kernenergie haben wir ausdrücklich nicht zugestimmt.«
Die Bundesregierung will auch den Endlagerstandort Gorleben wiederbeleben. Können Sie sich damit anfreunden, oder plädieren Sie für eine neue Endlagersuche?
Der poröse Salzstock in Gorleben ist als Endlager für hochradioaktiven Müll ungeeignet. Der Keim des Scheiterns wurde bereits vor über 30 Jahren gelegt. 1977 beauftragte die von SPD-Kanzler Helmut Schmidt und FDP-Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher geführte Bundesregierung die Physikalisch-Technische Bundesanstalt mit der Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens für die Endlagerung radioaktiver Abfälle im Salzstock Gorleben. Ein halbes Jahr später stellte, ohne daß Untersuchungsergebnisse zur Eignung des Salzstocks vorlagen, die Regierung Schmidt/Genscher via Entsorgungsbericht naßforsch fest, daß zur Lagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle der Gorlebener Salzstock in jedem Fall geeignet sei. Schmidt tönte in Hamburg auf einem SPD-Kongreß: »Die Entsorgungsfrage ist gelöst«. Er wird jetzt von seiner eigenen Prognose eingeholt, sie bricht nämlich wie ein Kartenhaus zusammen.
Alle bisher verfolgten Endlagerkonzepte sind gescheitert. Seit der Standortbenennung gibt es keine belastbaren wissenschaftlichen Belege, ob sich der Gorlebener Salzstock überhaupt dazu eignet, für viele Millionen Jahre radioaktive Abfälle von der Biosphäre zu isolieren.
Warum schließen Sie sich eigentlich nicht einer atomkraftkritischen Partei an?
Wir kennen sehr gut die atomkraftkritische Basis in CDU und CSU und können deren Potential richtig einschätzen. Der sogenannte Atomausstieg à la Rot-Grün hat klar gezeigt, daß es ohne die Union in Deutschland kein Ende der Atomenergie geben wird.
Was tun die Atomkraftgegner in der Union, um sich in CDU und CSU Gehör zu verschaffen?
Klar und kompetent Position beziehen und mit gutem Beispiel vorangehen.
Das heißt?
Indem wir z. B. aus christlicher Verantwortung heraus konsequent nur noch Ökostrom von den Elektrizitätswerken Schönau beziehen. Das bedeutet 100 Prozent Einsparung von Atommüll, 95,5 Prozent CO2-Einsparung.
Setzen Sie da nicht zu sehr auf individuelles Verhalten?
Auch für Atomstrom gilt: Was nicht gekauft wird, verschwindet vom Markt. Der Bürger hat als Konsument eine Schlüsselposition. Leider ist er sich dieser Macht nicht immer bewußt oder übt sie nicht konsequent aus. Der Konsument entwickelt das größte Potential und die größte Geschwindigkeit zur Veränderung. Dagegen ist die Politik eine Schnecke.
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