Mittwoch, 2. Dezember 2009

Vierte Gewalt in der Krise- müssen Journalisten bald verhungern?



Einige Anmerkungen von einem unabhängigen* Medium zum JW-Artikel Vierte Gewalt in der Krise.
(*Gibt es soetwas überhaupt? Garantiert nicht zu 100%!) 
Journalistentag 2009 warnt vor Qualitätsverlust durch Honorardumping und Medienkonzentration

Von Claudia Wangerin
 Vom Wert unserer Arbeit« war das Motto des 23. Journalistentages der Deutschen Journalisten Union (dju) in der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, zu dem sich am Samstag in Berlin über 150 Teilnehmer getroffen hatten. Die Zeiten, in denen der Rotstift im Zeitungsgewerbe nur bei den Druckern angesetzt wurde, sind vorbei. 
Über den Wert eurer Arbeit hat sich manch einer schon seit langem seine Gedanken gemacht. Kurz, unter euch gibt es Ausnahmen, die den Begriff Journalist überhaupt verdient haben, weshalb also das Wir- Gefühl? Sind wir jetzt bei der einen Krähe angelangt, die der anderen...? Und überhaupt, ganz ehrlich, wer von euch hatte sich solidarisch gegenüber den Kollegen in den Druckereien gezeigt? Ihr seid es doch, die Öffentlichkeit am ehesten herstellen können und es zu selten getan haben. Von all den Sticheleien, den Anstachelungen zum  ungerechtfertigten Neid und den Diffamierungen gar nicht erst angefangen. Getreu eurem Auftrag, der euch selbst in den meisten Fällen, dank der Kraftlosigkeit eurer geistlosen Wasserbrühe, gar nicht bewußt wurde: divide et impera?!! Wenn ihr unser Vertrauen und unsere Unterstützung benötigt, dann möge kein Gejammere dafür ausreichen. Ein Gejammere, das so plötzlich mit der Nacht hereinbrach. Hattet ihr so lange geschlafen oder hattet ihr gehofft? Wo seid ihr gewesen, als die Anderen euch brauchten? Ihr seid in der Erklärungsnot und eure bisherige Phrasendrescherei ist diesbezüglich das Maßband für eure Glaubwürdigkeit. Fangt damit an, ihr habt ohnehin dabei aufzuholen. Ich bin mir sicher, ihr würdet dann die nötige Unterstützung im und vom Volk erhalten. Solange ihr die vierte Gewalt der Mächtigen seid, wird man euch genauso wie eure Kameraden aus den anderen Gewalten, zunehmend verachten. Eure Saat, euer Lohn! Verdientermassen.
Zahlt man uns (politische) Blogger einen Lohn? Die Meisten unter uns zahlen d'rauf; sie zahlen ihre Gebühren selbst. Wir sind eure Konkurrenz, aber wir wollen sie nicht sein, da wir uns zumeist nur als Alternative zu eurer Beliebigkeit, zu eurer Belanglosigkeit verstehen. Wenn ihr journalistisch arbeiten würdet, gäbe es so viele von uns gar nicht. Wir würden unsere Freizeit damit verbringen, eure Kommentare zu lesen und zwar, ohne sie zu kommentieren! Ein Wunder, daß noch keiner von uns verhungert ist - Sarkasmus muss sein, beinhaltet er doch das Trotzverhalten intellektueller Idealisten.
Längst hat die Existenzangst auch die Redaktionen erreicht. Freie Journalisten haben ohnehin täglich damit zu kämpfen, das wurde in mehreren Redebeiträgen deutlich. Arbeitsverdichtung und Stellenverluste, »Outsourcing«, massiver Einsatz von Leiharbeit und schlechte Honorierung freier Mitarbeiter belasten nicht nur die Zunft, sondern auch den qualitätsbewußten Teil der Leser. »Die Bedingungen für Unabhängigkeit und Qualität der Medien haben sich massiv verschlechtert«, sagte ver.di-Vize Frank Werneke gleich zu Beginn.

Die Freiheit**, die sie meinen.

Waren es nicht die Redaktionen, in denen großteils das Schöngeschrieben und unter den Tisch gekehrt wurde, was ihnen jetzt selbst zum Verhängnis wird? Etwas Schadenfreude, da bin ich ehrlich, tut gut. Und überhaupt, sind alle Redaktionen betroffen oder wird hier übertrieben? Herr Werneke muss ein wahrlicher Scherzkeks sein, daß er es wagt von Unabhängigkeit und Qualität zu reden. Da bin ich anderer Meinung, denn wo in der Masse keine Qualität vorhanden ist, da kann sich auch nichts verschlechtern. Wo nichts ist, daraus entsteht nichts. Die Unabhängigkeit der Medien ist nur eine hohle Floskel. Wer sich auf diese beruft ist ein Narr, ein Lügner oder beides zusammen.
 
Zur Phrase von der Unabhängigkeit im Kapitalismus
Die Veranstaltung hätte eigentlich Nikolaus Brender eröffnen sollen, der kurz zuvor erfahren hatte, daß sein Vertrag als ZDF-Chefredakteur vom Verwaltungsrat nicht verlängert wird. In einer Resolution verurteilten die Teilnehmer dies als politische Einflußnahme und »Anschlag auf die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks«.
Der Fall Brender ist ein Skandal, doch soll er nicht darüber hinwegtäuschen, daß solche Skandale, kleine wie große, alltäglich in der Medienwelt sind. Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, eine realitätsverneinende Phrase. Das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks läßt allein schon keine Staatsferne zu. Wer eine solch hahnebüchene Plattheit von sich gibt, bezeugt lediglich seinen eigenen Bewußtseinsgrad. Wieder ehrlich? Von solch opportunistischen Journalisten gab es bisher sowieso zuviele. Für mich bedeutet Journalismus in erster Linie Aufklärung, gemessen an der unbeschönigten Realität. Davon scheinen diese Herren und Damen meilenweit entfernt, wollen sie doch nur ihr bekacktes Hemdchen retten und ihr Pöstchen gesichert wissen. Das ist ihr gutes Recht, doch was hat das mit Journalismus zu schaffen? 
Politik dürfe sich weder in Personalentscheidungen von Redaktionen noch in journalistische Angelegenheiten einmischen.
Solche Sätze sind doch nicht nur einem Übermaß an Naivität geschuldet. So verblödet oder verlogen kann doch kein ernstzunehmender Mensch sein, um solchen Stuss von sich zu geben. Ich frage mich, auf welchen Planeten die Verfasser zu Hause sind. Die Erde kann es nicht sein.
Weit mehr Journalisten sind durch die trotz Wirtschaftskrise unverändert hohen Ertragserwartungen der Medienkonzerne bedroht.
Das passt aber nun gar nicht zur Phrase einer angeblichen Unabhängigkeit. Hier widersprechen sich diese Journalisten selbst. Hier, weil sie keine Phrase von sich geben, sondern einen Fakt erwähnen.
Als abschreckendes Beispiel wurde mehrfach die »Netzeitung« genannt, die zum Jahresende ihre gesamte Redaktion entläßt und als automatisiertes Nachrichtenportal weitergeführt wird.
Das Abspecken bei der Netzeitung bedeutet keinen Weltuntergang und einen unabhängigen Journalismus hat übrigens die Netzeitung auch nicht betrieben. Es ist den Machern der Netzeitung überlassen, allein ihrer ideologischen Sichtweise verbunden zu berichten. Doch das Prädikat unabhängig bedeutet diesbezüglich dann nur Heuchelei. Hierbei gibt es auch keinen wesentlichen Unterschied zur unabhängigen Blöd- Zeitung festzustellen.
Ein Lokalreporter des Nordkurier, der mittlerweile hauptsächlich als Fremdenführer arbeitet, weil die Pauschale von 15 Euro***, die er für einen Zeitungsartikel bekommt, oft noch nicht einmal seine Fahrkosten decken würde, kam im Dokumentarfilm »Schlaglichter auf die Wirklichkeit – Generalangriff auf Honorare und Gehälter« zu Wort. Der Film von Wulf Beleites hatte beim Journalistentag Premiere. »In den 50er Jahren mußte ein Redakteur nicht streiken«, so der frühere IG-Medien-Vorsitzende Detlef Hensche. Heute seien Freie dagegen oft auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen. Nur »kollektive Selbsthilfe« könne der wachsenden Armut unter Journalisten entgegenwirken, so Hensche.
Herr Hensche scheint ein Mann der Tat zu sein. Kollektive Selbsthilfe. Ein Lösungsansatz in der derzeitigen Situation. Und das meine ich nicht ironisch. Zur Begrifflichkeit wachsende Armut hätte ich gern Näheres erfahren. Wo beginnt diese? Ich rede nicht von der geistigen Armut so manches Journalisten und wage es mir auch nicht vorzustellen, daß ein gewisser Anteil an Journalisten diesbezüglich bei den Zahnärzten abgeschaut haben könnte. Bei denen befindet sich die Armutsgrenze bekanntlich bei 150.000 T€uronen jährlich. Schämt man sich etwa, Zahlen zu benennen? Wenn diese Benennung gerechtfertigt ist, dann schafft doch gerade die Benennung im Volk Sympathie und ein gewisses Maß an Solidarität. Warum also die Fakten verschweigen und sich mit Phrasen begnügen?
Daß dies möglich sei, zeige der Streik beim RBB, wo Festangestellte und Freie gemeinsam für eine gerechte Bezahlung ihrer Arbeit streiten. Unter dem Motto »Eine (fast) unendliche Geschichte« informierte Rüdiger Lühr über den Stand der Vergütungsregelungsverhandlungen für freie Journalisten. Die Mindeststandards, die die dju im Frühjahr 2010 durchzusetzen hofft, würden zwar für einige der Betroffenen eine Verdopplung ihrer Honorare bedeuten – sie wären für die Verlage jedoch nicht automatisch bindend, sondern müßten im Zweifel von den Freien eingeklagt werden.

RBB- Kettenhunde stolpern über ihre eigenen Ketten

Auch hier werden keine konkreten Zahlen benannt. So bleibt der Verdacht erhalten, daß auf hohem Niveau gejammert wird und man sich wirklich schämt, Zahlen zu benennen, um in der Bevölkerung kein allgemeines Kopfschütteln auszulösen. Die 50iger Jahre sind nun einmal vorbei. Damals bestand in der Bevölkerung ein weit größeres Interesse an gewohnter Nachrichtenvermittlung. Die Vorabendserien, Gerichts- und Talkshows und auch spätabendliche Kinderwitzesendungen gab es nicht als Konkurrenz. Die Abgestumpftheit in der Bevölkerung hatte noch nicht das Maß von heute erreicht und doch bleibt festzuhalten, daß es gerade auch die Journalisten waren, die in den letzten Jahrzehnten zu dieser Abgestumpftheit maßgeblich beigetragen haben. Die Masse mag zwar in ihrer Allgemeinheit dumm sein, doch dumm genug, nichts zu bemerken, ist sie keineswegs. Fragen Sie doch 'mal einen gelernten DDR- Bürger, was er dachte, wenn ihn die Journalisten in der DDR ständig weismachen wollten, der Plan sei stets übererfüllt worden. Meinen Sie, die Regale hätten sich dadurch gefüllt? In der BRD verhält es sich hierbei nicht anders. Nur das der Wessie entschieden länger dazu braucht, um die Realität und die ihm aufgezwungene Scheinwelt konsequent und differenziert wahrzunehmen.
Und überhaupt, wozu benötigen wir 1000 Zeitungen mit 1000 Horoskopen? Aus dieser Sicht reichen mir aktuell bereits 10 Zeitungen, dafür ohne Horoskope und zusammengesetzt aus den Leuten, die sich getrost Journalisten nennen dürfen. Weil ihnen ihre berufsmässige Befähigung dazu gereicht und nicht das Zertifikat, daß man sich ergattert hat, um sich auf diese Berechtigung hin im Zettelland BRD ausruhen zu dürfen. Verzeihung, funktionieren zu müssen, wäre oftmals wohl angebrachter.
Denn es ist nun einmal eine Tatsache, das in diesem Land, in dieser BRD, Funktionen an Menschen nicht auf Grund ihrer Befähigung, sondern auf Grund ihrer Funktionalität vergeben werden und wurden. Das dient dem Systemerhalt und ist garantiert nicht nur begrenzt auf die Journalisten zu beziehen.

 Ist es nicht etwa auch die vierte Gewalt im Lande, die in der Masse diesen Begriff redlich verdient, betrachtet man den wahren Sinn dieser Gewalten?

**Voltaire definierte Freiheit durch Können. Unfreiheit bedeutet demnach nicht können. Dieser Definition schliesse ich mich an. #
 ***Nachtrag: 15 €uro? Oftmals versagt ihr beim Recherchieren doch schon, wenn nur ein einziges Ortsgespräch notwendig gewesen wäre. Machen wir uns nichts vor, der Großteil eurer Recherchen findet über das Telefon und das Internet statt. Und dies zu oft unzureichend, wie man es als nicht ganz dummer Zeitgenosse täglich tausendfach an miserabel recherchierten Meldungen feststellen kann. Ihr schreibt bei den "Großen" im Gewerbe ab oder fasst die Tickermeldungen nur in eure Worte, zu oft sogar vollkommen kritiklos. Ihr erleidet Ängste und diese Ängste machen euch handzarm für die, die eure Bosse sind. Leben mit der Angst ist euer Motto. Ihr seid unfähig, gegen diese Ängste vorzugehen. Vielleicht sogar diesbezüglich willenlos. Ich hätte Lust ins Philosophische abzugleiten, doch sei nur ein einziges Zitat aufgeführt, daß diese Situation bestens beschreibt. "Glückliche Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit" [des Könnens- hier auch des Möglichen- d.V.] - Freifrau Maria von Ebner- Eschenbach. Ich mag die Eschenbach, nicht nur dieses Zitates wegen. Sie war eine sehr intelligente Frau und eine ungebrochene Humanistin. Sie meinte mit diesem Satz nicht explizit euch Journalisten , doch trifft er auf euch zu oft zu. Das erfahren wir täglich und sind es längst satt.

Georg Schramm zum Brender- Skandal 


1 Kommentar:

  1. Bravo! Man kann nur hoffen, daß das hier auch mal von einem "Betroffenen" gelesen wird. Noch besser wäre allerdings, er würde dann auch mal darüber nachdenken. Und die Kröhnung wäre, es würde dann auch noch etwas bewirken. Aber ich glaube, damit bin ich schon im Reich der Utopie gelandet.
    Schade eigendlich!

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