Sonntag, 18. Oktober 2009

Von der Erhöhung des »Schonvermögens« Arbeitsloser profitieren die Hauptspender der FDP.

Ein Gespräch zwischen G. Düperthal (Junge Welt) und Christoph Butterwegge. Christoph Butterwegge ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Köln und Verfasser des Buches "Armut in einem reichen Land".

Das Boulevard-Blatt Bild bejubelt schwarz-gelbe Koalitionsbeschlüsse wie die Erhöhung des »Schonvermögens« bei Arbeitslosen von 250 auf 750 Euro pro Lebensjahr. Wo ist der Pferdefuß, wenn die Springer-Presse derartige Maßnahmen lobt?
 
Es geht dabei nur um das Schonvermögen zur Altersvorsorge, beispielsweise Kapitallebensversicherungen – nicht etwa darum, seinen Besitz allgemein vor dem staatlichen Zugriff zu schützen. In Ostdeutschland besitzt die Hälfte aller Betroffenen ohnehin kein Vermögen. Verdreifacht man den Betrag, den man für das Alter ansparen darf, kommt das vor allem Menschen im Westen zugute, die sich eine private Altersvorsorge leisten konnten, als sie noch Arbeit hatten – aber gerade die ärmsten Schlucker haben nichts davon.

Die eigentlichen Profiteure der Maßnahme sind Versicherungen und Banken – übrigens die Hauptspender der FDP. Gleichzeitig ist die neue Regelung kaum mehr als ein Trostpflaster für Hartz-IV-Betroffene, es soll Kürzungen an anderer Stelle lindern und Menschen beruhigen, die Union und FDP als Parteien der sozialen Kälte erleben. Denen will man suggerieren, der Sozialstaat werde nicht abgebaut, sondern nachgebessert. Hartz IV kann man aber nicht weiterentwickeln, man muß das Gesetz überwinden.


Inwiefern profitieren Versicherungen und Banken?

 
Wenn die Menschen nicht befürchten müssen, daß ihre Kapitallebensversicherungen wertlos werden, falls sie in Hartz IV abrutschen, sind sie eher geneigt, derartige Verträge abzuschließen. Das belebt also die Geschäfte der privaten Versicherungen. Die breite Masse der Hartz-IV-Bezieher kann sich den »Luxus« gar nicht leisten, darüber nachzudenken, was ihnen im Alter droht. Weil das nur wenige betrifft, ist diese Lösung billig: 300 Millionen Euro. Zur Erinnerung: Für die maroden Banken wurden 480 Milliarden bereitgestellt!

Die FDP beabsichtigt, Mieten von Hartz-IV-Beziehern direkt an Vermieter überweisen zu lassen, damit keine Zweckentfremdung stattfindet. Ist das sinnvoll?
 
Dahinter steckt das übliche Mißtrauen gegenüber sozial Benachteiligten. Unterstellt wird, sie könnten oder wollten mit Geld nicht umgehen. Im Hinterkopf lauert der Gedanke, daß irgendwann Gutscheine oder Sachleistungen vergeben werden. Darauf weisen Äußerungen diverser Politiker hin. Beispielsweise hat Philipp Mißfelder, Vorsitzender der Jungen Union und Mitglied des CDU-Präsidiums, erst im Frühjahr kundgetan, die Regelsatz-Anpassungen von wenigen Euro hätten einzig zum Boom der Tabak- und Spirituosenindustrie geführt.

Wahrscheinlich wird das soziale Klima im Zeichen der Weltwirtschaftskrise erheblich rauher – noch sind deren schlimmste Folgen ja kaum spürbar. Ich gehe davon aus, daß Union und FDP deshalb nicht alles in den Koalitionsvertrag hineinschreiben, was sie vorhaben. Sie sind sich politisch näher als die Partner der Großen Koalition und werden sich freie Hand lassen. Erst nach der Nordrhein-Westfalen-Wahl am 9. Mai 2010 wird die Koalition zum sozialen Kahlschlag ansetzen.


Was müßte dringend verändert werden?

 
Die Lebensstandardsicherung ist aufgegeben worden. Selbst für Menschen, die besser dagestanden haben, geht es schnell abwärts auf Sozialhilfeniveau. Das größte Problem ist jedoch die Lohndrückerei durch Hartz IV. Man schickt bewußt hochqualifizierte Leute in Ein-Euro-Jobs, etwa um Parks zu fegen. Durch Abschreckung soll die Bereitschaft gefördert werden, untertariflich bezahlte Jobs anzunehmen.

Der früher geltende Berufs- und Qualifikationsschutz muß wiederhergestellt werden; Ein-Euro-Jobs sind abzuschaffen. Die willkürlich vom Erwachsenen-Regelsatz abgeleiteten Kindersätze sind deutlich zu erhöhen. Die Politik sollte reagieren, bevor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 20. Oktober darüber verhandelt. Der Erwachsenenregelsatz muß auf wenigstens 450, besser 500 Euro angehoben werden.

Ein FDP-Politiker hatte vor einiger Zeit empfohlen, Hartz-IV-Empfänger könnten sich als Sammler von toten Ratten betätigen – pro Ratte einen Euro ...
Sozial-Zynismus legen vor allem Leute an den Tag, die selber über immenses Einkommen verfügen. Bestes Beispiel dafür ist Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin, der ein Jahreseinkommen von mehreren hunderttausend Euro hat und sich Gedanken macht, wie Hartz-IV-Bezieher mit Bratwurst und Kartoffelbrei über die Runden kommen.

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