von Helmut Höge
Die Glühbirne im schattenarm gewordenen Zimmer hat die Anfechtungen des Nachtgrauens weit gründlicher geheilt als etwa Voltaire.« (Ernst Bloch)
In der Lichttechnik, die zur Strahlenphysik gehört, hat man es mit Strahlen im sichtbaren Bereich zu tun: »Alles wird grundsätzlich von der Augenempfindlichkeit aus bewertet (in Lumen),« so der stellvertretende Leiter des Instituts für Lichttechnik an der TU. Vor der Tür steht dort ein Siemens-Denkmal, damit man sofort weiß, daß dieser laut Süddeutsche Zeitung mafia-ähnliche Konzern, zu dem Osram gehört, auch hier seine Finger mit drin hat. Und tatsächlich hat der mindestens bis 1989 im Elektrokartell IEA führende »Global Player« durchgesetzt, daß weltweit seit etwa 1910 sukzessive die Brenndauer von Glühbirnen herabgesetzt wurde: auf bis jetzt 1000 Stunden. Den Lichttechnikern kam nur zu, diese Reduzierungen jedesmal als »optimal für den Verbraucher« darzustellen. Als die Ostberliner Narva-Ingenieure 1981 auf der Hannover-Messe eine neue »Langlebensdauerglühlampe« vorstellten, die 5000 Stunden brannte, meinten die Osram-Kollegen abschätzig: »Ihr wollt euch wohl arbeitslos machen …« »Im Gegenteil,« erwiderten die Narva-Leute, »wir wollen und müssen Ressourcen schonen.« In sibirischen Arbeitslagern, wo im Winter besonders viele Glühbirnen verbraucht werden, gab es sogar mal ein Werk zur Wiederaufbereitung ausgebrannter Glühbirnen. Zwar hatte Rathenaus AEG zuvor mitgeholfen, Glühlampenfabriken in der Sowjetunion aufzubauen, gleichzeitig hatte jedoch das Elektrokartell, in dem die AEG vertreten war, ein Wolfram-Embargo gegenüber der Sowjetunion verfügt. Noch 1990 bat der »AEG-Milchbruder« – das Moskauer Werk »Elektrosawod« – die Bevölkerung, kaputte Glühbirnen zwecks Wiederverwertung abzuliefern. Das Ostberliner Narva-Werk hatte 1988 bei Osram für sechs Millionen DM eine Energiesparlampen-Fertigungsstrecke bestellt. Sie wurde kurz vor der Wende geliefert und kostete schließlich 21 Millionen DM, denn es handelte sich dabei um ein Embargo-Gut, dessen Erwerb im Osten (die KoKo-Firma F.C.Gerlach) wie im Westen (Heinz Pietsch) Zwischenhändler erforderte. Zynischerweise gehörte Pietsch dann zu dem Immobilien-Konsortium, das 1992 Narva erwerben wollte – und obwohl es versprochen hatte, die »Arbeitsplätze im Licht« zu erhalten, bot es sogleich Osram heimlich den Rückkauf der neuen Fertigungsstrecke an: Nach Meinung des Betriebsrates die einzig profitable im Werk. Drüben, bei Osram in Spandau, mußten sich die Beschäftigten immer wieder von der Geschäftsführung sagen lassen: »Wir produzieren hier nur noch Glühlampen, damit ihr einen Arbeitsplatz habt, verdienen kann man damit bloß noch Pfennigbeträge«. 2005 wurde die Produktion ins Elsaß verlegt, wo man nun, weil das Werk vor allem 100-Watt-Glühbirnen herstellt, die seit dem 1. September verboten sind, 100 Leute entlassen will. Die großen Elektrokonzerne haben dafür gesorgt, daß sukzessive alle Glühbirnen verboten und durch Energiesparlampen (ESL) ersetzt werden sollen, mit denen sehr viel mehr Geld zu machen ist, überhaupt wenn man sie in China produzieren läßt – bis jetzt 80 Prozent. In der Nanhai-Feiyang-Lampenfabrik z.B. wurde gerade festgestellt, daß 68 von 72 untersuchten Arbeiterinnen so mit Quecksilber vergiftet waren, daß sie ins Spital mußten. Vergiften kann man sich auch, wenn die ESL zu Hause zerbrechen; zu ihrer Entsorgung bedarf es eines gesonderten Kreislaufs. Osram und Philips gründeten dafür zwei Firmen, die sie analog zu »Fanny Mae« und »Freddy Mac« »Olav« und »Lars« nannten.
Ob ihnen damit das Einsammeln der kaputten Lampen gelingt, darf man bezweifeln. Die ESL bereiten aber noch andere Probleme: Ihrem Licht fehlt der für den Melatoninhaushalt lebenswichtige, sozusagen von innen und außen wärmende Infrarotanteil. Das Leuchtstofflampenlicht besteht aus UV-Strahlung: heimtückische Lichtwellen, die durch Leuchtstoffe in sichtbare Spektren transformiert werden. Im Gegensatz zu den guten alten Glühbirnen ist das ESL-Licht kalt. Englische Lichtforscher befürchten deswegen, daß die Nutzer die gefühlte Kälte dadurch kompensieren werden, daß sie die Heizung hochdrehen, wodurch der ESL-Energiegewinn wieder verlorengeht. Kürzlich hat das bayrische Umwelt-Landesamt zudem festgestellt, daß die meisten ESL »unnötigen Elektrosmog erzeugen«. Das Gasgemisch in den Glasröhren wird zwischen 30000 und 60000 mal pro Sekunde gezündet und sendet deswegen mit 30 bis 60 Kilohertz. »Die Lampen im normalen Haushalt wirken so, als ob Sie zehn DECT-Basisstationen [die Sendeteile von schnurlosen Telefonen] in der Wohnung stehen haben.« Die ESL-Strahlung ist nicht nur schädlich, sondern, anders als bei Funktelefonen, auch nicht ihr Zweck. Und dann gibt es auch noch wirtschaftliche Argumente – im kleinen: In Privathaushalten beträgt der Anteil des Lichts am Gesamtstromverbrauch nur noch sieben Prozent: Was will man dabei groß sparen?! Und im großen: »Wer Strom spart, sorgt dafür, daß weniger Kohlendioxid entsteht. Leider nicht!« So der SZ-Wirtschaftskommentator, denn »wenn die Haushalte in der EU weniger Strom brauchen, dann ändert sich an der Gesamtzahl der Zertifikate für Emissionen nichts. Der Schadstoffausstoß verlagert sich lediglich. Davon profitieren insbesondere energieintensive Industrien wie die Stahl- oder Aluminiumindustrie.« Dabei kommt noch etwas zum Tragen: ESL beziehen Energie nicht nur über die Phase, sondern auch über den Nulleiter. Vattenfall hat bereits angekündigt, daß sie den Strompreis erhöhen werden, falls dieser Effekt in der Stromerzeugung spürbar wird. Der Wirtschaftskommentator des Standard schreibt dazu: »Und so haben wir dann alle schöne, teure Sparlampen daheim, die Einsparung bei der Stromrechnung schmilzt aber dahin, weil der Strom schon wieder teurer wird.« Da es in der Lichttechnik wie erwähnt grundsätzlich nach »Augenmaß« geht, ist das stärkste Argument gegen die ESL ihr schlechtes Licht – im Vergleich zur normalen Glühbirne, deren Licht dem natürlichen, dem Sonnenspektrum, am nächsten kommt. Die Glühbirne ist quasi eine Sonne im kleinen. Und wie diese wandelt sie auch nur sieben Prozent der Energie in Licht um, den Rest in Wärme. Beim Licht der Glühwürmchen ist es genau umgekehrt.
In den Internet-Foren der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau artikuliert sich bereits der Zorn über den vermeintlich ökologisch motivierten ESL-Kaufzwang. Daneben horten die Bürger Glühbirnen wie verrückt: Die nocherlaubten Birnen sind jetzt schon fast doppelt so teuer wie 2008. Auf der Gegenseite wurden die Zöllner an den EU-Außengrenzen angewiesen, Glühlampen, die bei Reisenden gefunden werden, zu beschlagnahmen. Und Händler, die sich erfrechen, verbotene Glühbirnen auch weiterhin zu verkaufen, müssen bis zu 50000 Euro Strafe zahlen. Das Glühbirnenverbot ist ein Konjunkturprogramm auf Kosten der Bürger.
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