Liest man diesen Artikel, stellt man fest, daß die Zutaten für den Verfasser nur aus Selbstmitleid und fadenscheinigen Gründen bestehen.
Wer sich diese Frage stellt und sie massenhaft als “Wutbürger” auf den Straßen vermisst, hat wohl nicht die nötige Nähe zu von Hartz IV betroffenen Menschen oder sich nicht die Mühe gemacht, die einschlägigen soziologischen Studien, z.B. des Armutsforschers Wilhelm Heitmeyer, Uni Bielefeld zu studieren.Wer nicht meiner Meinung ist, versteht nichts von den Dingen? Deshalb die Betonung auf das Wort "nötige". So einfach wollen wir es dem Verfasser des Hartz- Artikels nicht machen, denn wir haben diese "nötige Nähe" zu vielen Betroffenen und uns plagt diesbezüglich keine Gefühlsduselei. Wir wollen auch die Spaltung der Gesellschaft nicht vorantreiben oder über Gebot die Betroffenen kritisieren. Doch wollen wir, daß "die Kirche im Dorf gelassen wird".
Viele Menschen reagieren auf die Krise, indem sie Heitmeyer zufolge eine pessimistische Erwartungshaltung gegenüber der gesellschaftlichen Entwicklung einnehmen und zugleich auf der Vorstellung eines vermeintlich intakten privaten Umfelds beharren.”
Die Betroffenen gehen nicht mehr auf die Straße, weil sie resigniert haben, sich schämen und ausgegrenzt fühlen. Ihre Erfahrung ist, selbst wenn sie mal aktiv wurden, verändert hat sich für sie nichts und oft wurde ihr Protest durch Parteien für ihre Zwecke instrumentalisiert und missbraucht.Was will uns der Verfasser damit sagen? Das es den Menschen, die nicht von Hartz betroffen sind, anders ergeht? Das wäre der reinste Hohn und bereits hier verdeutlicht es sich, daß die Argumentation des Verfassers auf zu dünnem Eis gebaut ist. Die Betroffenen "gehen nicht mehr auf die Straße" setzt voraus, daß die Betroffenen einst auf die Straße gingen. Nur wann soll das gewesen sein? Die Mehrheit der Protestler gegen die Hartz- Gesetze setzte sich noch immer aus Personen zusammen, die von Hartz nicht betroffen sind oder waren. Das ist die Realität, zu der man keine "nötige" Nähe benötigt. Es reicht aus, daß man in ihr lebt.
Hinzu kommt, dass man bei 350 Euro netto/Monat sich meist nicht mal eine Fahrkarte für die nötigsten privaten Fahrten leisten kann und wenn dann z.B. eine Demo in Köln stattfindet,...Kennt der Verfasser die Redewendung vom nackten Mann, den man nicht in die Taschen greifen kann? Oder die Lenin zugeschriebene Aussage: "Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas, wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte"?
Übrigens mag das vielleicht für einzelne Betroffene gelten, doch hat Köln genügend Betroffene, um ohne Unterbrechung und zahlenstark demonstrieren zu können. In den anderen Städten sieht es nicht anders aus. Ein fadenscheiniges Argument. Scheitert der Protest der Betroffenen wirklich an einer schnöden Fahrkarte? Ist die fehlende Fahrkarte daran schuld, Armut hinzunehmen? Nein, das ist nicht der Fall. Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit sind die Faktoren, die zählen. Alles andere leitet sich von diesen Begriffen ab.
Hierbei kann ein Blick in Länder, in denen die Fratze der Armut wirkliche Grimassen schneidet, nicht schaden. Denn in Deutschland wird nachwievor auf verdammt hohem Niveau gejammert. Aber auch in diesen Ländern sehen wir keine Masse an "Wutbürgern". Warum nicht? Weil es an einer organisierenden und leitenden Kraft mangelt, die von den Betroffenen auch als solche akzeptiert wird. Der Mensch ist ein Herdentier. Ohne Leittier (Leitmotiv) irrt er durchs Leben. Er nimmt die Dinge als "Schicksal", als gegeben hin. Unfähig, sein Leben in seine Hand zu nehmen, akzeptiert er Sitten, Regeln und Gesetze, auch wenn sie ihn und seine Interessen schaden und von denjenigen "erfunden" wurden, die diesem Menschen "sein Schicksal" zugedacht haben. Aus Bequemlichkeit versteckt er sich lieber hinter religiösen Ideologien und fröhnt einer Massenpsychose, bevor er sich als Persönlichkeit begreift. Nur diese Persönlichkeit im Verbund mit anderen Persönlichkeiten wird die Macht dazu aufbringen, grundlegende gesellschaftliche Dinge zu ändern. Es flieht sich jedoch leichter vor der eigenen Verantwortung, vor dem eigenen Leben und es wird denjenigen dabei auch leicht gemacht. Die Herrschenden wissen darum.
Ich rede täglich mit Betroffenen von Hartz IV, die allermeisten gehen sehr sorgsam mit ihrem wenigen Geld um, die Wenigsten rauchen oder trinken und trotzdem müssen sie jeden Cent rumdrehen.Das ist also die "nötige" Nähe. Es ist ebenso töricht zu behaupten, alle Hartzer wären bescheidene, unverschuldete, bemitleidenswerte, aber ansonsten strebsame und ehrliche Personen, wie die Sarrazine und Schwesterwellen vom Gegenteil überzeugt sind. Es gibt solche und es gibt solche. Das ist die Wahrheit und die einzig vernünftige Diskussionsgrundlage.
Wenn nicht mal das Geld für den Monatsbeitrag in einem Sportverein drin ist, dann überlegt man sich, wenn irgendwo eine Demo ist, kann ich mir die Fahrt leisten, auf was muss ich dafür in diesem Monat verzichten und was bringt mir die Teilnahme? Was bringt es, mit als “Wutbürger” dabei zu sein, auf der Demo, wenn ich dafür dann z.B. auf das lange nötige neue Paar Schuhe verzichten muss?Ein bescheidenes Argumentchen, auf dem weiter oben bereits eingegangen wurde. Auf die Idee, dieses Argumentchen 'mal von seiner anderen Seite zu betrachten, ist der Verfasser nicht gekommen. Könnte es vielleicht sein, daß es der Weg des Wutbürgers über die "Straße" ist, Zugang zum Sportverein und zu neuen Schuhen zu erhalten? Ist diese Klage so zu verstehen, daß es für das "Nichts tun" (ob verschuldet oder unverschuldet ist dabei völlig egal) lediglich mehr Alimente geben sollte? Zum einen müssen das diejenigen finanzieren, die arbeiten gehen und zwar für die "oben" und "unten". Soziale Gerechtigkeit sieht jedenfalls anders aus. Zum anderen würden nicht erwähnenswert mehr Betroffene demonstrieren gehen, selbst wenn man denen Bahnfreifahrten ausstellen würde. Denn das Problem liegt ganz woanders begraben.
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