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Tunesien: westliche Demokraten haben Angst vor Demokratie
Vergiftete Angebote
USA und EU wollen Tunesien helfen
Von Rainer Rupp
Nur, wenn auch die Reste des alten Regimes, das insbesondere europäischen und US-amerikanischen Kapitalinteressen gedient hat, davongejagt werden, hat die Revolution in Tunesien Aussicht auf Erfolg. Nur dann besteht die Chance, daß sie nicht von den alten, nun in einen demokratischen Schafspelz gehüllten Kräften der Kleptokratie des gestürzten Präsidenten Ben Ali gekidnappt wird. Einige Plakate der Demonstranten lassen hoffen, daß dies erkannt wird. So wurde mit der Parole »Ben Ali – Mörder, Sarkozy – Komplize« z. B. eine der wichtigsten westlichen Stützen des alten tunesischen Folter- und Unterdrückungsregimes beim Namen genannt.
In der Tat war es die französische Regierung, die als eigentliche Macht hinter der Urlaubslandfassade seiner einstigen Kolonie die Strippen zog. Bis kurz vor Schluß unterstützte Paris den Autokraten Ben Ali und seine Familie. Auf Dutzende vom Regime getötete Demonstranten reagierte Frankreich gar nicht erst. Statt dessen behandelte sein sonst so sehr um die Einhaltung der Menschenrechte bemühtes Außenministerium den Despoten weiterhin als legitimen Führer Tunesiens, während es zugleich die Forderungen der Demonstranten ignorierte. Erst in buchstäblich letzter Sekunde, als klar wurde, daß der Schützling nicht länger zu halten war, ließ auch Präsident Nicolas Sarkozy ihn fallen.
Paris verweigerte Ben Ali bei seiner Flucht am Freitag das Exil in Frankreich und hoffte so, weitere Kritik der Demonstranten an der Grande Nation abzuleiten. Zugleich zeigte sich Sarkozy hilfsbereit und bot der neuen tunesischen Übergangsregierung »entschlossene Unterstützung« zur Umsetzung des »demokratischen Willens« zu freien und fairen Wahlen an. Schließlich besteht die neue Führungsriege zum großen Teil aus Funktionären, die schon unter Ben Ali Minister waren. Ein Umsturz sieht anders aus. Enttäuscht zogen die Gewerkschaften ihre drei Minister bereits am Dienstag wieder zurück.
Auch die Europäische Union will helfen und für die Tunesier die Wahlen organisieren bzw. den Wählerwillen in die richtigen Kanäle leiten. Da weiß zumindest die bürgerliche Oberschicht des Landes und die mit ihr verfilzte alte Garde ihre Interessen in guten Händen. Gefährlich würde es dagegen, wenn die tunesischen Massen selbstbewußt ihre Angelegenheiten in die eigenen Hände nehmen würden. Das erfüllt auch die USA mit Sorge, wie Stellungnahmen dieser anderen Schutzmacht des verjagten Autokraten, der Hochburg der westlichen Demokratien, erkennen lassen. Washington will ebenfalls dringend helfen. Da kommt der Rat des iranischen Parlamentspräsidenten Ali Laridschani an seine tunesischen Glaubensbrüder genau richtig. Er warnt sie, sich ihre Revolution nicht stehlen zu lassen und vor den Hilfsangeboten »bestimmter Länder auf der Hut zu sein, die bis vor wenigen Tagen noch die alten Strukturen unterstützt haben«.
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