»Für ihn war es das erste Mal, und genau das machte es auch für sie so aufregend. Ihre Nippel richteten sich auf und sie stöhnte laut, als er ihren prallen Ellbogen mit fester Hand knetete und mit seiner Zunge bis zu ihrem Trommelfell vordrang. Dann umfasste er ihre bebende Hüfte und schob seinen pulsierenden Liebesknochen rhythmisch beinahe mitsamt den Klöten in die feuchte, enge Ritze zwischen Matratze und Bettgestell, der Amateur.«
Derlei romantische Liebesgeschichten sind momentan überall ununterbrochen und ausnahmslos in jeder Zeitung und Zeitschrift leider nicht zu lesen. Stattdessen gibt es allenthalben detaillierte Beschreibungen, die im Pädophilenmilieu nicht nur die Abo-Zahlen von Magazinen wie Stern in die Höhe gehen lassen.
Egal, wo man hinschaltet im Fernseh, egal, was man liest, es geht nur noch darum, dass irgendeiner irgendjemandem irgendwo hinfasst, obwohl der das nicht will, oder dass irgendjemand irgendwem irgendwo was reinsteckt, ohne vorher zu fragen. Die Presse scheint komplett außer Rand und Band.
Dabei wären so viele Informationen weiß Gott nicht nötig. Dass zum Beispiel bei Männern, die in lustigen Gewändern rumlaufen, die mit Wesen reden, die keiner sehen kann, die noch nie eine Freundin hatten und also eindeutig als verhaltensauffällig bezeichnet werden können – dass bei denen durchaus mal die Geilheit durchbricht angesichts eines Kinderhinterns, ist nicht so neu, dass man unbedingt darüber berichten müsste. Auch um zu erfahren, dass diesem Mixa gerne mal die Faust Gottes ausrutscht, muss man wahrlich keine Zeitung lesen. Da reicht es, in sein vor Nächstenliebe und Demut zerfurchtes Gesicht zu schauen.
Anschließend waren es die Lehrer, die für Schlagzeilen sorgten und sorgen. Dass staatlich ausgebildete und examinierte Pädagogen am besten wissen, was Kinder so brauchen und wie sie es gerne haben, konnte und kann man seitdem überall haarklein nachlesen. Mit Details und noch mehr Details über Verbrühungen und das Versengen der Genitalien und so weiter und so weiter ad infinitum.
Ordnungsgemäßer einvernehmlicher Sex zwischen Mann und Frau oder meinetwegen auch Frau und Frau oder – weil’s nun eigentlich auch schon komplett egal ist – zwischen einem Liliputanerpärchen, dem Bundespräsidenten und einer Luftpumpe findet in der Presse praktisch gar nicht mehr statt. Auf freiwilliger Basis scheint dieser Tage untenrum überhaupt nichts mehr zu laufen!
Selbst in den entlegensten, trostlosesten Gegenden wird nach Missbrauchsfällen gefahndet. In Thüringen zum Beispiel. Dass in einem Land, das seine Bevölkerung einsperren musste, aufmüpfige Kinder verprügelt wurden – geschenkt. Was die Berliner Zeitung dagegen in einer ähnlich trostlosen Gegend aufdeckte, ist schon sensationeller: »Allerdings kommt in Afghanistan dazu, dass man sich die Schädel einschlägt für einen ›Batscher Batschi‹ wie man die ›Tanzjungen‹ nennt. ... Es handelt sich um Jungen im Alter von acht bis vierzehn Jahren, die von Taliban (aber genauso von Kriegsherren) entführt werden, um mit ihnen Tisch und vor allem Bett zu teilen.« (Kommafehler aus dem Original absichtlich beibehalten.) Diese Taliban! Jahrelang kennt man sie als die netten Warlords von nebenan – und nun das!
Auch der Gesetzgeber ist nicht ganz unschuldig an der Monotonie in der Presselandschaft. Nehmen wir den Fall des Fußballschiedsrichters Amerell: Es ist nur zu natürlich, dass die sich nach Zärtlichkeit sehnen, die sonst keiner mag und die beim Torjubel von Fummeleien aus berufsethischen Gründen prinzipiell ausgeschlossen sind: die Schiedsrichter. Natürlich suchen sie die Nähe von Leidensgenossen. Man versteht sich, man gönnt dem FC Bayern Niederlagen, man fasst sich gegenseitig in die Hose, wenn keiner guckt. Ganz normal also. Doch eine Passage im Grundgesetz zwingt dieSpezialisten für investigative Recherche von Spiegel und Süddeutsche dazu, in derartigen Angelegenheiten mal genauer nachzuhaken.»Die Öffentlichkeit«, heißt es in der Passage, die dringend geändert werden müsste, »hat ein Anrecht darauf, intimste SMS und E-Mails von so staatstragenden Persönlichkeiten wie Zweitligaschiedsrichtern Wort für Wort in der Tagespresse nachlesen zu können.«
Klar, dass der Leser auf diesem Recht besteht und die Hose schon gar nicht mehr zumacht, wenn er zum Kiosk läuft. Den ein oder anderen Skandal zu veröffentlichen kommt allerdings kein Blatt umhin. Wenn nämlich der Missbrauch so massiv ist, dass Schweigen ein Verbrechen wäre, wie in folgendem Fall:
Ein Foto bei Bild-Online: der Latino-Sänger Ricky Martin mit zwei Knaben auf den Armen, dazu die Überschrift »Coming-out«. Auf den ersten Blick scheint alles klar: Seine Musik war ja schon immer schrecklich, und nun obendrein so was. Doch liest man sich in die Unterzeile ein, erfährt man: Die beiden Kinder sind nicht Gegenstand seines Coming-outs, sondern seine Söhne, und er, Ricky Martin, lediglich schwul. Alles ist also noch viel schlimmer. Denn wenn Ricky Martin schwul ist, wo kommen dann die Söhne her? Also auch er, Ricky Martin, ein Missbrauchsopfer? Von der Leihmutter zum Koitus gezwungen? – Mit ziemlicher Sicherheit: ja.
Manch Prominenter wird allerdings schuldlos das Opfer der sensationslüsternen Medienmeute. Zum Beispiel Wettergott Jörg Kachelmann, von dem die Staatsanwaltschaft behauptet, er habe seine Freundin nicht gefragt, ob er sie vergewaltigen darf, obwohl das alleine schon der Anstand gebietet. Und den kann man dem unrasierten (obenrum) Schweizer nun wahrlich nicht absprechen. – Charmeur alter Schule, der er ist, wird er seine Freundin sicherlich auf sein Vorhaben angesprochen haben. »Obacht,Schatz! Ich mach da jetzt dies oder jenes. Reg dich nicht auf, ist gleich vorbei.«
Sehr wahrscheinlich (die Verhandlung war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht mal in Sichtweite) ging in diesem Fall alles mit rechten Dingen zu. Dementsprechend sollte man sich als seröser Journalist nicht an Spekulationen darüber beteiligen, ob Kachelmann seine eventuell nymphoman veranlagte Ex tatsächlich erst mit einem Gürtel an den Heizkörper fesselte, bevor er sich geifernd über ihre Vulva hermachte, ob er sie von hinten oder von orne rannahm, oder ob er sie womöglich sogar dazu zwang, eine lustige Fliege wie sein Kollege Uwe Wesp zu tragen. Das wollen wir lieber ein Gericht klären lassen.
Man sollte in solchen Situationen durchaus Verständnis für die Verlage aufbringen, denn natürlich verkaufen sich Geschichten über Sex allemal besser als Geschichten über die neue Garagendachneigungswinkelverordnung der EU. Manch Journalist scheint dieser Tage allerdings zu viel Tinte auf dem Füller zu haben und mit seiner Berichterstattung weit über das Ziel hinauszuspritzen . Freilich muss der Leser mit sicherer Hand bei der Stange gehalten werden, zweideutige, schlüpfrige Bemerkungen sind dabei jedoch nicht die feine französische Art. Auch das Auflisten von obszönen Begriffen wie »Penis«, »Dreilochstute«, »Riesenpenis«, »Facial cumshot«, »Mörderpenis« oder »Mumu« ist ein Zeichen falsch verstandener journalistischer Gründlichkeit. Kein Leser lässt sich dazu animieren, regelmäßig eine Zeitschrift zu kaufen, nur weil hin und wieder völlig unmotiviert irgendwelche Signalwörter auftauchen. Analstöpsel.
Doch zum Glück gibt es sie vereinzelt auch heute noch, die guten, sauberen, wichtigen Nachrichten! Gerade dann, als man auf die endlich mal fällige Enthüllung wartet, dass der Bergdoktor unserem Affen Charly an der Poperze rumgespielt hat, verkündet die Bild auf der ersten Seite: »Britta Steffen und Paul Biedermann – Ja, es ist willenlose Leidenschaft mit überall Anfassen und so« beziehungsweise natürlich nicht, sondern: »Ja, es ist Liebe!« – Und wenn mal nicht der Deutsche Schwimm-Verband dahintersteckt zwecks Gründung einer neuen supergleitfähigen Froschspezies, bleibt nur zu sagen: Na also, Fotzenhobel, geht doch!
Text: Gregor Füller (Eulenspiegel)
Zeichnung: Arno Funke
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