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Francisco, der Gotteskrieger
Der neue Papst hat ordentlich Dreck am Stecken
Von André Dahlmeyer, Buenos Aires (jungeWelt)
Argentinien ist in aller Munde. So viele Pressemeldungen über das Land am Río de la Plata gibt es sonst allenfalls, wenn Messi kickt oder Maradona mal Aufstoßen muß. Schuld ist der neue Papst, Jorge Mario Bergoglio, der sein Amt unter dem Pseudonym »Francisco« ausübt und »Benedikt XVI.« nachfolgt – ein Kalauer jagt den nächsten.
»Francisco« ist der erste Latino und der erste Jesuit auf dem Heiligen Stuhl, er ist dort auch der erste Peronist, d.h. Anhänger eines sozialen Überwachungsstaats im Geiste einer kruden Mixtur aus Mussolini und Franco. Erste Resultate der Botschaft aus dem Vatikan waren patriotisches Besoffensein in Lateinamerika und ein nationalistischer »Freudentaumel« in Argentinien. Ansonsten mitunter ganz pfiffige Politiker und Normalbürger verfielen einem tumben, willfährigen Frohlocken, verpuppten sich zu zäher Masse – ein einziger Tausendfüßer.
Gang zum Heiligen Stuhl: Bergoglio am 7. März in Rom, Foto: EPA/CIRO FUSCO +++(c) dpa - Bildfunk
Argentinien ist in aller Munde. So viele Pressemeldungen über das Land am Río de la Plata gibt es sonst allenfalls, wenn Messi kickt oder Maradona mal Aufstoßen muß. Schuld ist der neue Papst, Jorge Mario Bergoglio, der sein Amt unter dem Pseudonym »Francisco« ausübt und »Benedikt XVI.« nachfolgt – ein Kalauer jagt den nächsten.
»Francisco« ist der erste Latino und der erste Jesuit auf dem Heiligen Stuhl, er ist dort auch der erste Peronist, d.h. Anhänger eines sozialen Überwachungsstaats im Geiste einer kruden Mixtur aus Mussolini und Franco. Erste Resultate der Botschaft aus dem Vatikan waren patriotisches Besoffensein in Lateinamerika und ein nationalistischer »Freudentaumel« in Argentinien. Ansonsten mitunter ganz pfiffige Politiker und Normalbürger verfielen einem tumben, willfährigen Frohlocken, verpuppten sich zu zäher Masse – ein einziger Tausendfüßer.
Nach der Ernennung des Lateinamerikaners verlegten sich auch fortschrittliche Regierungen des Subkontinents darauf, die patriotischen Schübe in ihren Gesellschaften abzusaugen. Das spricht dafür, daß sie nicht so recht an sich selbst glauben. Bergoglio hat über die reaktionären Medienmonopole Südamerikas immer wieder alles attackiert, was auch nur den Anschein von etwas Progressivem hatte. Er ist erklärter Antichavist und liegt ebenfalls im Clinch mit dem »Kirchnerismo«, der seit 2003 Argentinien regiert.
Als im Juli 2010 im argentinischen Kongreß das Gesetz 26.618 (»Matrimono igualitario«) debattiert wurde, das heute die gleichgeschlechtliche Ehe samt Adoptionsrecht legitimiert, lancierte Bergoglio einen ›Offenen Brief‹ mit dem biblischen Zitat: »Dieser Krieg (gegen die Homosexuellen, d.A.) ist gottgewollt!« Präsidentin Cristina Fernández bemerkte, das erinnere sie »ans Mittelalter und die Inquisition«.
Bergoglio steht nicht nur für alles, sagen wir es vornehm: Hausbackene der katholischen Kirche. Er hat auch eine illustre Vergangenheit. Während der letzten Militärdiktatur in Argentinien (1976–1983) kam es zu Hetzjagden auf sogenannte Befreiungstheologen, die damals etwa zehn Prozent der Priester stellten. Viele wurden verschleppt und gefoltert, mit Drogen vollgepumpt aus Militärhubschraubern in den Río de La Plata gestoßen. Wer überlebte, wurde ausgewiesen oder emigierte »freiwillig«. Ausgeliefert wurden sie von ihrer eigenen Kirche. Viele Pfarrer arbeiteten im »Kampf gegen die Subversion« eng mit den Militärs zusammen, einige gingen auch in den etwa 600 geheimen Folterzentren ein und aus.
Bergoglio flog Ende der 90er Jahre auf. Sein Kampf gegen alles »Linke« in der Kirche war schon damals nichts Neues mehr. Der Journalist Horacio Verbitsky konnte belegen, daß Bergoglio den Militärs zwei rangniedere Jesuiten ausgeliefert hatte. Die von Verbitsky gesammelten Zeugenaussagen lassen keine Fragen offen. Zwei Monate nach dem Militärputsch bat der Bischof von Morón, Miguel Rasponti, 1976 den heutigen Papst, die Jesuitenpriester Orlando Yorio und Francisco Jalics zu schützen – er hatte Wind davon bekommen, daß sie von Militärs entführt werden sollten. Bergoglio schlug die Bitte ab, wie die Katechismus-Lehrerin Marina Rubino bezeugt, die zu dieser Zeit Theologie in dem Colegio studierte, in dem Bergoglio lebte.
Rubino sagt, sie habe zusammen mit Rasponti bei Bergoglio nachgefragt, ob Yorio und Jalics nicht vom Bajo Flores, wo die beiden in Armutsvierteln arbeiteten, nach Morón überstellt werden könnten, wo sie zu diesem Zeitpunkt vermeintlich sicherer gewesen wären. Es war nur eine scheiß Unterschrift. Bergoglio lehnte ab. Yorio und Jalics wurden am 23. Mai 1976 entführt und in die ESMA verfrachtet, die Mechanikerschule der Kriegsmarine beim Stadion des Fußballrekordmeisters River Plate, damals das schlimmste Folterzentrum des Landes. Fünf Monate später wurden die Jesuitenpriester aus Helikoptern in Cañuelas (Provinz Buenos Aires) in einen Graben gekippt. Später bezeugten beide bei verschiedenen Befragungen, daß Bergoglio sie den Militärs ausgeliefert hatte. Dafür gibt es noch mindestens ein Dutzend weitere Zeugen.
Yorio, der überdies mehrmals angab, Bergoglio sei im Folterzentrum ESMA präsent gewesen, starb im August 2000 in Montevideo. Jalics, gebürtiger Ungar, betreibt im »Haus Gries« nahe Wilhemsburg (Oberfranken) seit 30 Jahren »kontemplative Exerzitien«.
Bergoglios Ernennung zum »Stellvertreter Jesu Christi« ist ein Schlag gegen Organisationen wie die »Mütter des Platzes der Mairevolution«, deren Kinder von der Junta ermordet wurden. »Seit wir kämpfen, hatten wir nur Kontakt zu Befreiungstheologen«, erklärte die Präsidentin der Gruppe, Hebe Bonafini, gegenüber junge Welt: »Die offizielle Kirche haben wir immer angeprangert. Das ist die der Repression.«
Mehrmals war Bergoglio bei Menschenrechtsprozessen in Argentinien vorgeladen. Er wollte jedesmal von nichts gewußt haben. Aber alles spricht gegen ihn. »Die Papstwahl war eine ultraeklige!« sagt Mirta Acuña Baravalle von den »Madres de la Plaza de Mayo«, die sich zum heutigen Oberhaupt der Katholiken schon aus Anlaß ihres 30jährigen Bestehens 2007 erschöpfend erklärt haben: »Als Madres lehnen wir die Worte von Kardinal Bergoglio ab. Er und seine Gefolgschaft wissen, daß sie ein wesentlicher Bestandteil der Diktatur waren. Weder Kirche noch Justiz haben diese Schweine verurteilt, aber wir vergessen nicht, was sie den Machthabern gesagt haben: ›Sieben Stunden Folter sind keine Sünde.‹«
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