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Wenn Brandstifter Feuerversicherungen verkaufen...
Schwarze Schwäne
Wetten auf die Apokalypse: Selbst das Finanzkapital glaubt nicht mehr an den Fortbestand des Kapitalismus – und setzt auf neue Krisenschübe
Von Tomasz Konicz (jungeWelt)
Atomkatastrophe in Japan: Für Black-Swan-Fondsmanager noch nicht schlimm genug, um Profit zu bringen
Foto: AP
Die größte Stärke des Kapitalismus besteht, folgt man seinen Apologeten, in der nahezu unerschöpflichen Anpassungsfähigkeit, mit der er selbst die größten Herausforderungen und Krisen meistern könne – es komme nur auf die richtigen profitträchtigen Anreize an. Wie diese sagenumwobene Anpassungsleistung in der Praxis der gegenwärtigen Krise vonstatten geht, kann derzeit am Beispiel der neuen Investmentkategorie der »Black Swan Funds« (Schwarzer-Schwan-Fonds) studiert werden. Diese sich zunehmender Popularität erfreuende und auf den Finanzmärkten gehandelte Fondsart ist je nach Zusammensetzung darauf ausgelegt, von Krisenschüben, Staatspleiten oder Wirtschaftszusammenbrüchen zu profitieren. Benannt ist diese Geldanlage nach der in Finanzkreisen beliebten Allegorie des Schwarzen Schwans, mit der unvorhergesehene und extreme Ereignisse von weitreichender Tragweite bezeichnet werden.
Police gegen Katastrophe
Dabei könne je nach Zusammensetzung des Black-Swan-Fonds auf konkrete Ereignisse wie die Staatspleite von Griechenland gewettet werden, oder allgemeiner auf Entwicklungen wie »Konjunkturabkühlungen in den Vereinigten Staaten und China, die eine globale Wirtschaftskrise« auslösen könnten, erläuterte die New York Times (NYT) dieser Tage. Diese nun »plötzlich auftauchenden« Fonds würden Investoren in die Lage versetzen, Profite »im Fall eines Marktzusammenbruchs« zu erzielen. »Unsere Kunden realisieren plötzlich, daß die Welt nicht so rosig ist, wie sie einstmals war«, sagte der Hedgefondsmanager Ahmed Fattouh gegenüber der NYT. Viele Investoren hätten von der »Erholung der Märkte profitiert«, die dem ersten krisenbedingten Einbruch folgte, so die NYT, doch die neuesten Entwicklungen ließen »viele das Schlimmste annehmen«. Dutzende Milliarden seien bereits in Black-Swan-Fonds investiert worden, die einen »kleinen, aber wachsenden Teil der Finanzwelt« ausmachten, da immer mehr Investoren »Schutz vor finanziellen Endzeiten« suchten.
Dabei finden die Black-Swan-Fonds im Rahmen der sattsam bekannten Strategie des sogenannten Hedging (abgeleitet vom englischen Wort für Einhegen oder Absichern: hedge) Verwendung, bei der Spekulanten mittels Streuung von Investitionen sich gegen Risiken abzusichern versuchen. Die »Dealer« dieser »Produkte« vergleichen sie am liebsten mit Versicherungen, erläuterte der britische Economist: »Investoren zahlen jedes Jahr Beiträge ein, um später die finanzielle Katastrophe vermeiden zu können.« Der für die Kapitalanlagegesellschaft PIMCO tätige Fondsmanager Vineer Bhansali ließ bei der Begründung einer solchen Investitionsentscheidung gegenüber dem Economist seine philosophische Ader aufblitzen: Es sei besser, »an Gott zu glauben, als die Konsequenzen tragen zu müssen«, wenn man als Atheist falsch liege. Dasselbe gelte auch für – eigentlich unwahrscheinliche – drastische Markteinbrüche.
Die populärste Methode zum Aufbau eines Black-Swan-Fonds besteht laut Economist darin, eine Reihe von Finanzinstrumenten wie Kreditderivate, Indizes oder Credit-Default-Swaps (Kreditausfallversicherungen) in einem Finanzprodukt zu bündeln, die unter normalen Marktbedingungen Verluste einbringen, aber bei Einbrüchen sehr schnell an Wert gewinnen. Die Fonds »kosten Geld in den durchschnittlichen Jahren, aber sie bringen dir ziemlich große Gewinne, wenn alle anderen Anlagen schlecht abschneiden«, erklärte der Fondsmanager Gaurav Tejwani. Durchschnittlich verlören diese Fonds in normalen Jahren an die 15 Prozent ihres Wertes, doch bei einsetzenden Krisen betrügen die Gewinne zwischen 50 und 100 Prozent.
Unterdessen steigen auch die Schwergewichte der Branche in die Spekulation mit dem Zusammenbruch ein. Die Deutsche Bank etwa legte den ELVIS-Index auf, der Profite bei hoher Volatilität der Märkte generiert, wie sie besonders in Krisenzeiten vorherrscht. Der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock wie auch die zum deutschen Allianz-Konzern gehörende PIMCO sind mittlerweile ebenfalls in dieser endzeitlichen Finanzmarktsparte mit großem Wachstumspotential vertreten.
Zu den Stars dieser noch jungen, auf den Zusammenbruch der herrschenden Wirtschaftsordnung wettenden Branche zählt aber der Hedgefonds »36 South Advisors LLP«, der im Krisenjahr 2008 einen Gewinn von 234 Prozent erzielen konnte. Dabei gehen die Wetten auf die Apokalypse nicht immer auf, wie Jerry Haworth, Mitgründer von 36 South, gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg am Beispiel des katastrophalen »Nuklearbebens« in Japan eingestehen mußte, das einen »neutralen« Einfluß auf die Anlagen dieses Hedgefonds gehabt habe. Die Katastrophe war also nicht katastrophal genug: »Es war kein globales Schwarzer-Schwan-Ereignis. Es hat nicht alle Finanzmärkte kontaminiert, aber es war sicherlich ein Schwarzer-Schwan-Ereignis für Japan.«
Kreisende Geier
Das linke US-Internetportal Alternet verweist aber darauf, daß der »Boom von Armageddon-Fonds« eine Folge und nicht Ursache der Krise ist: »Die Banker sehen, daß das System inhärent instabil ist und daß Zusammenbrüche unvermeidbar sind.« Während die Finanzjongleure eigentlich »keinen Kollaps der globalen Märkte sehen wollen, denken sie zugleich, daß sie wenigstens ordentlich Geld verdienen können«, wenn es sich nicht vermeiden lasse. Die Black-Swan-Fonds glichen somit eher Geiern, die bereits »strauchelnde Ökonomien« ins Visier nehmen würden, um »in Fetzen zu reißen, was noch übrig ist«. Das US-Wirtschaftsportal Market Watch wählte eine andere Metapher, um das Geschäftsmodell dieser Finanzmarktsparte zu charakterisieren: »Es ist, als ob der stadtbekannte Pyromane von Tür zu Tür gehen und Feuerversicherungen verkaufen würde.«
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