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Europa muss sich befreien - von Norwegen geht die neue Chance aus!
(c)
von Yavuz Özoguz (MuslimMarkt)
Der norwegische Ministerpräsident Stoltenberg sagte gestern Abend noch: „Niemand wird uns durch Bomben zum Schweigen bringen, niemand wird uns durch Schüsse zum Schweigen bringen.“ Was aber soll Norwegen denn nicht sagen?
Gestern fand der wohl seit Jahrzehnten schlimmste Terroranschlag in Norwegen statt. Laut Medienangaben sind sieben Personen beim verheerenden Bombenanschlag im Regierungsviertel und weitere 80 Jugendliche in einem Ferienlager durch Schusswaffen ermordet worden. Die Zahl der Verwundeten ist unüberschaubar.
Bevor wir versuchen in eine erste Analyse einzusteigen, drücken wir hiermit unser tief empfundenes Beileid für alle Betroffenen aus! Möge der Schöpfer allen Seins allen betroffenen Geduld und Liebe gewähren, dass sie diese schweren Stunden und Tage ertragen und ihr Leid gemindert werde! Wir drücken auch unser Beileid dem Volk in Norwegen aus, das mit diesem schweren Bombenanschlag schwer getroffen wurde. Mögen Sie alle die daraus notwendigen und konstruktiven Entwicklungen für ihr Land und für Europa einleiten. In jeder Katastrophe steckt eine Chance. Die Chance besteht, wenn ergebnisoffen nach den wahren Hintermännern geforscht und die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden. Möglicherweise hat der norwegische Ministerpräsident Stoltenberg diese bereits in seiner ersten Rede angedeutet.
Die westlichen Hofberichterstatter überschlugen sich in den ersten Stunden nach dem Terroranschlag mit den reflexartigen und üblichen Verdächtigungen. Von al-CIAda bis Gaddafi wurden so ziemlich alle denkbaren und undenkbaren “islamistischen“ Verdächtigen genannt. Die “Terrorismus-Experten“ der Hofberichtsender überschlugen sich mit ihren Mutmaßungen, warum einheimische oder internationale Terroristen jenen Anschlag ausgeübt haben sollten. Na klar, Norwegen gehört zur Westlichen Welt, also sei der Terroranschlag gegen die Westliche Welt gerichtet. Norwegen ballert an vorderster Front in allen möglichen Ländern mit, also sei der Terroranschlag gegen die Nato gerichtet. Norwegen liege in Skandinavien, und weil Dänemark den Karikaturen-Streit vom Zaum gebrochen hat, sei der Terroranschlag gegen Skandinavien gerichtet usw. usf.. Es gab gar nicht genug Gründe und Spekulationen, um einmal mehr “Islamisten“ für die Terroranschläge verantwortlich zu machen.
Und – zugegebenermaßen – haben wohl auch die allermeisten Muslime in der Westlichen Welt befürchtet, dass wieder ein durchgeknallter “Islamist“ sich zum Spielball eines “Führungsoffiziers“ hat machen lassen, um solch ein grausames Verbrechen zu begehen. Und wer dann die Führungsoffiziere sind, kann man niemandem mehr erklären, wenn die Täter bärtige Muslime sind! War Europa nicht lange “verschont“ geblieben? Wurde es nicht aus Sicht derjenigen, die die Welt durch Angst und Schrecken zum Sklaven des Raubtierkapitalismus machen wollen, wieder an der Zeit, einen “Islamisten“ ein Verbrechen begehen zu lassen? Und da war also das Verbrechen, und da waren sämtliche Hofberichterstatter, sämtliche Hofexperten, und alle wussten es von Anfang an: Es waren “Islamisten“. Es gab dann ja auch das erwartete Bekennerschreiben. Zwar stammte es von einer “islamistischen“ Gruppe, die vorher niemand kannte, aber das hat Hofjournalisten noch nie davon abgehalten, gleich alle Muslime mit zur Zielscheibe ihrer Hasspredigten zu machen. Der Anschlag auf das Regierungsviertel passte auch besonders gut in jenes seit nunmehr 10 Jahren unaufhörlich vermittelte Bild.
Doch dieses Mal gab es einige Aspekte, die erste Zweifel aufkommen ließen. Zunächst einmal war da diese unglaubliche Wucht der angeblichen Autobombe. Man muss wirklich kein Bombenexperte sein, um festzustellen, dass man solch eine hocheffektive Bombe nicht in der Garage zusammenbasteln kann. Kein einziger Auto-Bombenanschlag der letzten Jahre (und es gab mehrere davon in den Medien) hatte auch nur eine ähnlich verheerende Wirkung, dass gleich eine Handvoll riesiger weit auseinander stehender Gebäude derart zerstört wurden, wie wir es in den Fernsehbildern gesehen haben. Die Hofexperten durften diesen Aspekt offenbar nicht hinterfragen. Jene Bombe muss aus militärischen Beständen stammen, an die ein “Islamist“ in Norwegen genau so wenig rankommen dürfte, wie ein anderer, außer die Führungsoffiziere “versorgen“ ihn damit.
Ein zweiter Aspekt war aber noch “merkwürdiger“. Warum sollte ein Terrorist, nachdem er das halbe Regierungsviertel in die Luft gejagt hat, ausgerechnet auf eine Insel fahren, in der Jugendliche in einem Jugendlager der regierenden sozialdemokratischen Partei Ferien machen, und dort 80 Jugendliche erschießen? Der Terrorist hat doch seine beabsichtigte Wirkung bereits mit dem Anschlag in Oslo bewirkt, warum also noch ein weiterer Anschlag auf Jugendliche der Sozialdemokraten?
Hofjournalisten und Hofexperten dürfen völlig frei und jegliche Anhaltspunkte spekulieren, so lange es sich gegen “Islamisten“ richtet. Aber sobald Aspekte hinzu kommen, die nicht “passen“, werden diese ausgeklammert. Der Anschlag auf das Regierungsviertel geschah zu einer Zeit, in der das Parlament Ferien hatte. Es geschah zu einer Zeit am Freitagnachmittag, als selbst diejenigen, die nicht Ferien gemacht haben, auf dem Heimweg ins Wochenende waren. Angesichts der Bilder, die nach dem Anschlag zu sehen waren, erscheint es fast wie ein Wundern, dass dort “nur“ sieben Menschen getötet wurden. Ganz offensichtlich war es nicht das Ziel der Terroristen, Regierungsmitglieder zu treffen oder gar Norwegen lahm zu legen. Vielmehr sieht der Anschlag wie eine Warnung aus, aber Warnung wofür oder wogegen? Der Nato-Feldzug gegen Libyen ist kein Alleinstellungsmerkmal Norwegens, die andere Bombardements auch nicht! Und Norwegen geht gegen die eigene Muslime sicherlich nicht schlimmer vor als andere NATO-Partner. Eher gilt das Land als erheblich freier. Warum also hat es Norwegen getroffen und was soll das für eine Warnung sein und an wen?
Der zweite Anschlag auf der Ferieninsel ist ausschließlich gegen die regierende sozialdemokratische Partei gerichtet. Und hier könnte sich der Ansatz zum Verständnis der Warnung finden. Worin unterscheidet sich die regierende sozialdemokratische Partei von der Opposition, dass nur sie Sozialdemokraten getroffen werden sollten? All jene Kriegseinsätze, der Umgang mit “Islamisten“ usw. usf. sind es nicht! Derartige Entscheidungen werden in ganz Europa von beiden Seiten des kapitalistischen Spektrums gemeinsam getragen, das ist in Norwegen nicht anders als in Deutschland! Was also unterscheidet Norwegen so sehr von der eigenen Opposition und was unterscheidet die regierende Partei vom Rest Europas, dass es sie treffen sollte?
Bereits kurz vor Mitternacht trat der norwegische Ministerpräsident Stoltenberg vor die Mikrofone und sagte: „Niemand wird uns durch Bomben zum Schweigen bringen, niemand wird uns durch Schüsse zum Schweigen bringen.“ War das eine Botschaft an “Islamisten“? Falls “Islamisten“ als Täter vorgestellt werden sollten, dann wäre von Kriegen die Rede, von der “Unterstützung“ irgendwelcher Menschenrechte und Befreiungsbewegungen usw. aber doch nicht von “Schweigen“. Was hatte er denn gesagt, dass er jetzt schweigen soll?
Bevor hier über eine mögliche Antwort spekuliert wird, sollten folgende Fragen beantwortet werden? Darf man obige Fragen stellen in einer freiheitlichen Demokratie? Darf man über die Antworten spekulieren, so lange die Gesetze des Landes eingehalten werden? Ist es in der Geschichte jemals vorgekommen, dass ein vermeintlicher Verbündeter sich als Feind herausgestellt hat? Gehört ein mögliches Motiv nicht zu den Ansätzen kriminalistischer Ermittlungen? Wer auch nur eine einzige der obigen Fragen mit Nein beantwortet hat, sollte nicht weiterlesen, denn die folgenden Zeilen sind nicht an ihn gerichtet.
Der inzwischen als angeblicher Einzeltäter vorgestellte Rechtsradikale war sicherlich vieles, aber ganz sicher kein Einzeltäter. Und die Hintermänner dürften das Land – wohin auch immer – schon längt verlassen haben. Wahrscheinlich kennt er sie nicht einmal. Aber es gibt ein Alleinstellungsmerkmal der norwegischen sozialdemokratischen Partei, das zumindest einmal Erwähnung finden sollte bei all jenen Spekulationen gegen “Islamisten“.
Es ist noch keine Woche her, da hat Norwegen die Pläne der Palästinenser, im September die Anerkennung eines eigenen Staates bei den UN zu beantragen, unterstützt! Der norwegische Außenminister Jonas Gahr Støre hatte das am 18.7.2011 auf einer Pressekonferenz mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas in Oslo mitgeteilt. Erwartungsgemäß hat die deutsche Hofberichterstattung jenes sicherlich als sensationell einzustufende Ereignis kaum erwähnt, aber Israel selbst hat es erwähnt. Wäre es nicht der dümmste Terroranschlag der Geschichte, wenn “Islamisten“ ausgerechnet das einzige Land in Europa angreifen, das Palästina unterstützt? Der norwegische Außenminister beließ es nicht allein bei dieser Ankündigung sondern legte noch nach: Es sei “völlig legitim“ mit solch einem Vorschlag vor die UN zu treten. „Er glaube nicht, dass die Palästinenser oder jemand anderes auf der Welt daran zweifelten, dass Norwegen das palästinensische Recht auf einen Staat unterstütze“, das meldete Israelnetz mit Bezug auf den norwegischen Außenminister. Und es sei daran erinnert, dass Israel selbst ja auch genau so in der UN entstanden ist. Diese Aussage aus Norwegen stellt genau jenes Alleinstellungsmerkmal dar. Darin unterschieden sich regierenden Sozialdemokratien von der Opposition. Darin unterscheidet sich Norwegen vom Rest Europas, die – gegen die absolute Mehrheit der Welt – die Gründung eines Palästinenserstaates niemals unterstützt, so lange Israel nicht die Zustimmung gibt.
Wer die wahren Ursachen für Terror in dieser Welt erkennen und bekämpfen will, der muss seine Scheuklappen ablegen, Mut beweisen und dem norwegische Ministerpräsident Stoltenberg jetzt zur Seite stehen und ihn darin unterstützen: „Niemand wird uns durch Bomben zum Schweigen bringen, niemand wird uns durch Schüsse zum Schweigen bringen.“
Die Aussage, die immer wieder wiederholt werden muss lautet: Ohne Gerechtigkeit gibt es weder Frieden noch Freiheit. Und so lange Palästina jahrzehntelang von der gesamten Westlichen Welt unter Besatzung gehalten wird, wird es immer wieder Terroristen geben, oft im Kleid von “Islamisten“, zuweilen im Kleid von “Rechtsradikalen“, zuweilen im Kleid von “geistig Verwirrten“, die Unfrieden auf Erden stiften, einen Unfrieden, der Juden, Christen, Muslime und alle anderen gleichermaßen trifft. Wer sich aber wirklich für Frieden einsetzen will, der muss dafür sorgen, dass die jahrzehntelange Unterdrückung und Besatzung im Namen der Westlichen Welt ein Ende findet. Das gilt vor allem für die Regierungschefs der Europäer.Was aber können wir Muslime tun? Im aktuellen Geschehen sind Ahmed-Normal-Muslime genau so hilflos wie Otto-Normal-Verbraucher. Aber Muslime können dennoch etwas tun, um das Unheil zu bekämpfen. Jeder Muslim hat sich an Recht und Gesetz zu halten, er muss “besser“ in seinem Bereich und “anständiger“ werden. Er muss zu einem guten Nachbarn werden. Er muss zu einem Vorbild für seine Familie werden. Er muss sich läutern und reinigen. Jeder Muslim, der “schwarz arbeitet“ oder “schwarz fährt“ oder Drogen konsumiert oder ähnliches Unerlaubtes tut, schadet damit auch seinen Geschwistern in Palästina, auch wenn ihm der Zusammenhang nicht klar ist. Wir alle müssen uns zum Guten weiterentwickeln. Die gemeinsamen Werte der Menschlichkeit müssen zu den Markenzeichen der Muslime im Land werden. Das sind wir der Gnade, die uns gewährt wurde, schuldig. Und der bevorstehende Monat Ramadan gibt die beste Möglichkeit zur Läuterung.
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