Mittwoch, 9. Februar 2022

War die DDR rechts?

Foto: Claus Bach, Gedenkstätte Andreasstraße

Ist euch auch schon aufgefallen, dass an Stelle der historischen DDR allmählich und schleichend eine verklärte DDR tritt, zumindest was die "veröffentlichte Wahrnehmung" betrifft? Zum besseren Verständnis, was ich damit meine, sei auf einen Artikel aus der Feder von Oliver Driesen hingewiesen, der kürzlich auf Publico veröffentlicht wurde und in dem es unter anderen heißt:

Manchmal ist ein Loch in den Archiven. Im Deutschlandfunk zum Beispiel fehlt ein Kommentar vom 13. August 2021, dem 60. Jahrestag des Berliner Mauerbaus. Davon existiert nur noch eine Anreißerzeile in den Suchmaschinen: „60 Jahre nach dem Bau der Mauer traue sich die vierte Generation mit Empathie und Neugier auf die DDR zu gucken, kommentiert Katharina Thoms.“
Warum dieser Kommentar still und leise von den Media-Plattformen der ARD entfernt wurde, wird nicht erklärt. Offen bleiben musste deshalb für alle Nicht-Hörer der Erstausstrahlung, welche Schokoladenseiten man mit Empathie und Neugier an der repressiven und gegenüber Dissidenten brutalen SED-Diktatur entdecken könnte.

Überhaupt erwähnten anlässlich des Mauerbau-Jubiläums 2021 bemerkenswert viele Journalisten und twitternde Politiker nicht einmal mehr den eigentlichen Zweck des Bauwerks – das Einsperren der eigenen Bevölkerung – oder auch nur die Bauherrin, die SED. Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock beispielsweise deutete die Mauer schwülstig-verschleiernd als „in Beton gegossenen kalten Krieg“. Und über alle Jahrestage hinweg weigert sich Jacqueline Bernhardt, Linkspartei-Politikerin und Justizministerin in Mecklenburg-Vorpommern, bis heute demonstrativ, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen. In den meisten Medien erntet sie dafür keine Kritik.
Je mehr die DDR im Dunst der Geschichte verschwindet, desto mehr Nebelkerzen zünden ihre Beweihräucherer in Rundfunk und Presse. Und desto leiser werden dort die Warnungen vor dem Unrechtsstaat von Links. „Außer zu den üblichen Gedenkfeiern“, so die Narrativ-Analysten von Media Tenor, „sind kaum noch Beiträge in den deutschen Leitmedien über die DDR zu finden, obwohl vieles von heute ohne diese Vergangenheit kaum zu verstehen ist. Um so mehr verblüfft, wie bei ARD und ZDF die Darstellung der DDR mehr und mehr ins Positive dreht.“
Die Grundlagen für diese Beschönigungen und Geschichtsklitterungen sind über viele Jahre in aller Stille geschaffen worden, bis sie zum festen Bestandteil des heutigen „Haltungsjournalismus“ werden konnten. Gleich zu Anfang meines journalistischen Lebens bin ich auf jemanden getroffen, der sehr engagiert und sehr verborgen daran mitwirkte. Die Begegnung mit Heinz D. Stuckmann hat mich für immer geprägt – wobei die „Begegnung“ aus Hunderten von Unterrichtsstunden und manch bizarrer Szene außerhalb des Curriculums bestand. Stuckmann war der Leiter der „Kölner Schule – Institut für Publizistik e.V.“, an der ich von 1987 bis 1991 als Journalist für Wirtschaft und Politik ausgebildet wurde. Seine Geschichte ist heute, da fast alle Details längst öffentlich gemacht wurden, keine Enthüllungsstory. Sie ist in Teilen ein Erfahrungsbericht des Autors, der den Einfluss der Vergangenheitsfälscher bis hinein in völlig ungefährdet geglaubte Bereiche dokumentiert.

Fragt 'mal heutzutage einen Gymnasiasten nach der Bedeutung des 17. Juni 1953 für die deutsche Geschichte! Zur Erinnerung. Der 17. Juni war bis 1990 der Nationalfeiertag der Bundesrepublik Deutschland. Aus gutem Grund. Jeder Hauptschüler und sogar jeder Schulabbrecher hatte diesen Grund damals gekannt, wo diesbezüglich heutzutage gähnende Leere in Abermillionen Köpfen herrscht. Der Nationalfeiertag wurde 1990, im Jahr der Wiedervereinigung, abgeschafft. An dessen Stelle trat der historisch jungfräuliche 3. Oktober, ein Tag ohne Bedeutung für das historische Erbe dieser alten Kulturnation. Ich erinnere mich, dass es 1990 noch Stimmen gab, die den 17. Juni als Nationalfeiertag beibehalten wollten, so wie es Stimmen gab, nicht den unbedarften 3. Oktober, sondern wenn schon denn schon den schicksalsträchtigen 9. November - den Tag des Mauerfalls - zum Tag der Deutschen Einheit und somit zum Nationalfeiertag zu erklären. Wie wir heute alle wissen, konnten sich diese Stimmen der Vernunft nicht durchsetzen. Durchsetzen konnten sich hingegen diejenigen, die von Anfang an ein Interesse an der Geschichtsklitterung hatten, zu denen zweifellos auch einige Granden der damaligen Volksparteien SPD und CDU gehörten.

Bereits als Jugendlicher ins Visier der Staatssicherheit geraten und diversen Schikanen ausgesetzt, wurde die Andreasstraße 1989 eine Zeit lang mein "Zuhause". Das heißt, bis zu meiner Amnestierung mit anschließend erfolgter Ausreise nach Westberlin. Das "bis Null Uhr haben sie das Territorium der Deutschen Demokratischen Republik zu verlassen" war mir eine Wohltat gewesen. In Westberlin angekommen, stieg ich am Potsdamer Platz aus die U-Bahn und schaute von einer der Aussichtsplattformen über die Grenzanlagen nach Ostberlin. Ich musste weinen vor Freude. Was bei einer englischsprachigen Schülergruppe, die ebenfalls auf der Aussichtsplattform anwesend war, für staunende Blicke sorgte. Sie konnten schließlich nicht ahnen, welche immense Last sich in diesem Augenblick von mir gelöst hatte. Vielleicht hatten sie es aber doch bemerkt. Ich wünsche es ihnen.

Es ist und bleibt eine historisch belegte Tatsache, dass die SPD 1989 seit Jahren schon kein Interesse mehr an eine deutsche Wiedervereinigung hatte und die DDR als eigenständigen Staat anerkennen wollte. Was übrigens auch auf den zum "Kanzler der Wiedervereinigung" aufgeblähten Helmut Kohl zutrifft, der noch im Mai 1989 ernsthaft vorhatte, die Position der SPD zu übernehmen. Dass es 1990 dann dennoch zur Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands kommen sollte, ging hauptsächlich, wenn nicht gar einzig von den USA aus. Bush sen. war der erste Politiker weltweit, der die Möglichkeit einer deutschen Wiedervereinigung öffentlich und ernsthaft in Betracht gezogen hatte. Auch das wird heutzutage tunlichst verschwiegen. Stattdessen wird die Rolle des Republikaners Bush fälschlicherweise dem damaligen Führer der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) zugeschrieben. Jenem Michael Gorbatschow, der noch am 13.12.1989 die Alliierten Frankreich und Großbritannien in Schreiben darum gebeten hatte, die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten zu verhindern. Nebenbei bemerkt, ist übrigens auch das ein Beispiel dafür, dass die Geschichte nicht unbedingt von den Siegern, sondern von den Herren über die Schulbücher, Zeitungen, Sendeanstalten, Podien und Kanzeln geschrieben wird. Den Herren über die "veröffentlichte Meinung", den Herrschern über die Köpfe. Eine "Re-Education" und "Entkommunistisierung" in Bezug auf die zweite deutsche Diktatur hat es jedenfalls niemals gegeben, was sich heutzutage mehr und mehr als brutaler Fehler erweist.

Nun kann man den Deutschen nicht vorwerfen, dass sie sich nicht per se gerne an die Verbrechen ihrer jüngeren Geschichte erinnern würden. Es muss nur ideologisch konform und den neuen alten Zielen dienlich sein.

Hierzu fällt mir eine kürzlich in einem Internet-Forum stattgefundene Diskussion ein. Ein junger Mann äußerte mir gegenüber, dass die DDR kein linker sondern ein rechter Staat gewesen ist. Als Begründung gab er an, weil die DDR ihre politischen Gegner mit Gewalt bekämpfte, Gewalt aber niemals Mittel von Linken, sondern einzig von Rechten sei. 

Lacht nicht! Der hatte das durchaus ernst gemeint. Und wer weiß, vielleicht ist dieser ahistorische Unfug in ein oder mehreren Jahrzehnten bereits Usus in der "veröffentlichten Wahrnehmung"? Der junge Mann scheint - wenn auch unbewusst - begriffen zu haben, warum die heutigen Genossen so gerne von Nazis und nicht von Nationalsozialisten reden. Es hat schließlich schon einmal funktioniert, warum nicht auch ein zweites Mal (siehe hier, hier und hier)?! Das mit dem Selbstbetrug des "es war ja kein echter bzw. kein wahrer Sozialismus" und so! Zur Hölle mit euren Lügen, die nichts anderes als ein Tor zur nächsten (sozialistischen) Diktatur sind! Schluss mit den sozialistischen Experimenten, gleichgültig ob sie braun, rot oder grün gewandet sind!

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