skip to main |
skip to sidebar
Die wundersam seriöse Welt der Facebook-Sperren
Die Quittung von Facebook
Am Tag des Terroranschlags von Brüssel, am 22. März, ging wegen eines kritischen Posts über Kanzlerin Merkel meine persönliche Facebookseite vom Netz. Auch wenn man den Post vielleicht sarkastisch oder gar geschmacklos finden konnte: ein Grund für eine Sperrung war das nicht. Politiker wie die Bundeskanzlerin sind keine schützenswerte Minderheit, die man nicht kritisieren darf.
Ich wollte jedenfalls wissen, was genau Facebook zur Sperrung meiner Seite veranlasst hatte. Einen ganzen Abend verbrachte ich damit, auf der von Facebook angebotenen Plattform nach Hinweisen zu suchen. Ergebnislos. In den nächsten Wochen wandte ich mich erst an die Chefin der Facebook-Hauptstadtrepräsentanz, Eva Maria Kirschsieper. Drei E-Mails an sie blieben unbeantwortet. Drei Anrufe bei Facebook Germany Hamburg blieben ebenso ohne Reaktion. Schließlich bekam ich die Handynummer der Facebook-Pressefrau Tina Kulow, die meine SMS ebenfalls ignorierte.
Manachmal hilft nur ein Hausbesuch
Also entschloss ich mich zu einem Mittel, das im digitalen Zeitalter meist wirkungsvoller ist als eine Mail. Ich schrieb einen Brief auf Papier. Meine Recherchen ließen mich vermuten, dass Facebook über keine Postadresse verfügt. Also würde ich den Brief persönlich abgeben. Ein Freund erklärte sich bereit, als Zeuge mitzukommen.
Meine Vermutung erwies sich als richtig. Nichts weist am Kemperplatz 1 in Berlin darauf hin, dass Facebook hier eine Repräsentanz unterhält. Wir hatten Glück. Ein Hausmeister bugsierte gerade einen Aufsteller durch die gläserne Eingangstür. Wir konnten eintreten. Im Fahrstuhl stellten wir fest, dass er für Unbefugte nicht benutzbar war. Während wir noch überlegten, wurde die Kabine in den vierten Stock gerufen, es stieg aber niemand ein und wir schwebten wieder nach unten. Dort hatte sich vor dem Fahrstuhl eine Gruppe junger Männer eingefunden, die offenbar von der Mittagspause zurückkamen. Ich sagte ihnen, dass wir auch nach oben wollten. Einer hatte bereits auf die 7 gedrückt und seine Legitimation an den Scanner gehalten, als ich gefragt wurde, wohin wir wollten. Wahrheitsgemäß antwortete ich, dass die 7. Etage unser Ziel sei. Das brachte uns abschätzende Blicke von zweien der Männer ein. In unseren Regenkutten sahen wir aber offenbar harmlos aus.
In der siebten Etage wies ebenfalls nichts auf Facebook hin. Eine Tür öffnete sich für die jungen Männer. Wir gingen einfach mit ihnen ins Allerheiligste. Im Vorraum, mit atemberaubendem Blick über den Tiergarten bis zum Reichstag befand sich eine Art Empfangstresen, hinter dem eine junge Frau uns fragend ansah.
Die 7. Etage auf Tauchstation
Ich stellte mich vor und sagte, dass ich die Chefin, Frau Kirschsieper, gern sprechen würde. Ob ich einen Termin hätte? Leider nein, denn meine Bitten um einen Termin seien unbeantwortet geblieben. Frau Kirschsieper sei leider nicht im Hause. Dann würde ich gern Herrn Stojanow sprechen, den Koordinator für Kommunikation in Deutschland.
Der sei leider auch nicht da. In diesem Fall würde ich sie bitten, meine Schreiben an die beiden Abwesenden zu überbringen. Mein Begleiter kam auf die Idee, nach den Stellvertretern der beiden Chefs zu fragen. In diesem Fall, so die Antwort, müssten wir warten. Wir durften uns auf das bunte Sofa setzen, das ich bereits von einem Foto kannte. Mein Begleiter bat, die Waschräume benutzen zu dürfen. Er wurde bis vor die Tür gebracht und dann gefragt, ob er eine Kamera dabei hätte. Nein. Aber ein Handy? Das müsste er draußen lassen, er dürfe nur ohne Handy in die Kabine.
Drinnen, erzählte er mir später, war alles vom Feinsten. Nicht nur Seife und Hygieneartikel waren bereitgestellt, sondern auch Creme, Haarspray, gutes Parfüm. An der Decke sah etwas nach einer Kamera aus. Ob es wirklich eine war, konnte mein Begleiter nicht feststellen.
Die schwierige Suche nach einem Blatt Papier
Während ich wartend auf dem Sofa saß und mich an den zartgrünen Tiergartenbäumen erfreute, führte die Empfangsdame drei offensichtlich schwierige Telefonate, bei denen mein Name immer wieder fiel. Sie schaute zunehmend verunsichert zu mir rüber. Niemand wollte mit mir sprechen. Schließlich kam sie zu mir und sagte, sie könne nichts für mich tun, als die Briefe weiterzuleiten. Eine Empfangsbestätigung würde sie mir geben, wenn ich ein Stück Papier hätte. Darauf sei ich nicht vorbereitet, sagte ich, aber sicher hätte sie doch ein Blatt Papier? Sie kam mit einem kleinen Notizzettel zurück, obwohl ein offizieller Facebook-Block auf ihrem Tisch lag.
Ich schrieb die Empfangs-Bestätigung für sie, dann unterzeichnete sie mit einem Kringel. Auf die Frage meines Begleiters, wie sie heiße, antwortete sie nur zögernd. Schließlich war sie bereit, „Kaur“ in Druckbuchstaben auf den Zettel zu schreiben. Dann gab sie mir noch einen weiteren Notizzettel, mit einer Mailadresse, die man für Terminanfragen nutzen könnte. Leider sah ich mir die Adresse erst später an. Sie lautete: Pressfb@com. Man sieht: so eine Mailadresse kann es nicht geben (es ist wohl ein Reihungsdreher und müsste Press@fb.com heißen).
Wir machten uns zum Gehen fertig, als sie plötzlich fragt: „Woher kennen sie den Namen Stojanow?" Mein Begleiter antwortet: „Von einer Begegnung mit dem Justizminister“. Die Dame reagiert mit ungläubigem Staunen. „Ich habe das im Internet gefunden“, sagt mein Begleiter. Ungläubiges Kopfschütteln. Sie könne das ja nachprüfen, sagt er. Sie antwortet, sie hätte kein Internet. Am Tresen sind zwei I-Pads an Halterungen befestigt, für die schnelle Recherche im Vorbeigehen. Aber sie hätte doch ein Handy? Antwort: „Recherche ist nicht meine Aufgabe“. Vermutlich eines der wenigen wahren Worte, die wir von ihr gehört haben.
Runter kommen Sie immer, aber nicht mehr rauf
Dann brachte sie uns noch zum Fahrstuhl. Sie versicherte uns, dass sich das Verhalten von Facebook im Rahmen der Norm bewege. Es würde oft Wochen dauern, bis Anfragen beantwortet werden könnten. Merkwürdigerweise hatte sie meine Briefe wieder in der Hand, die auf dem Tresen gelegen hatten. Ich sagte, dass ich hoffte, es würde nicht Wochen dauern, bis die Briefe ihre Empfänger erreicht hätten. Ich würde nicht mehr wochenlang auf eine Antwort warten, sondern nächste Woche an die Öffentlichkeit gehen, das stünde auch in den Schreiben. Sie verabschiedete uns mit dem merkwürdigen Satz, runter kämen wir mit dem Fahrstuhl problemlos, aber nicht wieder hoch.
Nach nur drei Tagen bekam ich von der Chefin der Hauptstadtrepräsentanz eine SMS. Sie hätte meinen Brief bekommen, sie brauche etwas Zeit, um den „Sachverhalt“ zu klären. Es dauerte noch ein paar Tage, da bekam ich die Mitteilung, meine Seite sei entsperrt. Die Sperrung sei ein Fehler von Facebook gewesen, dafür würde man sich entschuldigen. Frau Kirschsieper stellte mir ein persönliches Gespräch in Aussicht. Es dauerte allerdings weitere vierzehn Tage und viel sanften Drucks meinerseits, ehe dieses Telefongespräch zustande kam. Allerdings war es unergiebig. Der Mitarbeiter von Facebook hätte einen Fehler gemacht. Die Anzeigen erfolgten immer anonym, man könne mir also nicht sagen, wer die Sperrung meiner Seite verlangt hätte. Mit der Task Force von Justizminister Maas hätte das Ganze nichts zu tun. Die würde nur beraten.
Für mich blieb die Frage, wie qualifiziert die Mitarbeiter von Facebook sind, die eine Hassmail nicht von einer Politikerkritik unterscheiden können. Wie oft werden ähnliche Fehler schon passiert sein?
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Wirtschaftswoche hier
Text und Foto: Vera Lengsfeld
Gratuliere das ist super
AntwortenLöschen