Heute gibt es zwei Kurztexte aus der Feder von
Vince Ebert, die zum Nachdenken über das Nachdenken anregen sollen und den "
Herdentrieb" des Menschen erklären helfen.
Nachdenken und Tun sind zwei grundverschiedene Arten die Welt zu verstehen. Das Risiko eines Misserfolgs beim Nachdenken ist Null. Beim Tun dagegen ist es stets größer als Null. Darum erfreut sich das Nachdenken auch so großer Beliebtheit.
Nicht wenige verwechseln sogar Nachdenken mit Tun. Sie glauben, dass ihre Gedanken-Konstrukte automatisch funktionieren, da sie ja sehr lange und intensiv darüber nachgedacht haben. Doch häufig erweist sich die Konfrontation mit der wirklichen Welt als ernüchternd. Aus der Kriegsführung ist der Satz bekannt: „Kein Plan übersteht den ersten Feindkontakt.“
Ein Philosophie-Studium ist von Vorteil, wenn man Philosophie-Professor werden möchte. Aber es macht einen nicht automatisch zu einem Problemlöser. Die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis ist immens.
Denker sind zweifellos wichtig. Ihre Ideen bringen die Welt nach vorne. Aber eine Idee kann auf dem Blatt Papier noch so intelligent wirken – wenn sie sich in der Praxis nicht bewährt, ist sie nutzlos.
Wer niemals in seinem Leben „an der Front“ war, wer niemals seine Ideen in die Tat umsetzen musste, hat meist auch wenig Gespür dafür, ob seine Gedanken über die Welt wirklich klug sind oder ob sie einfach nur klug klingen.
Der Evolutionspsychologe William von Hippel fand heraus, dass der Mensch einen Großteil seiner Denkleistung dazu verwendet, um sich in seiner komplizierten sozialen Welt zurechtzufinden. Warum guckt mein Chef heute so komisch? Was bedeutet die Anspielung meines Nachbarn über mein neues Auto? Flirtet die Bedienung mit mir oder ist sie einfach nur freundlich?
Unser „soziales“ Gehirn überprüft zwar ab und an auch Fakten. Viel wichtiger jedoch ist ihm die Frage: Welche gesellschaftlichen Konsequenzen hat es, wenn ich dies oder jenes tue oder sage?
Wir haben also einen Mechanismus im Kopf, der uns im Zweifel sogar daran hindert, das zu denken, was richtig ist, wenn es im Gegenzug unseren sozialen Status gefährdet.
Daher tritt dieses Phänomen auch umso stärker auf, je höher der soziale und wirtschaftliche Status einer Person ist. Gebildete und/oder wohlhabende Menschen machen sich mehr Gedanken darüber, was andere von ihren Meinungen halten könnten. Weil sie einen akademischen Ruf oder eine gute berufliche Position zu verlieren haben.
Was dazu noch kommt: Je gebildeter und klüger ein Mensch ist, umso geschickter ist sein Gehirn, ihm den größten Blödsinn als vernünftige Idee zu verkaufen, solange es seinen sozialen Status hebt. Dadurch neigt das gehobene Bildungsbürgertum stärker dazu, irgendwelchen intellektuellen Schnapsideen hinterherzuhängen als einfache Leute.
Der amerikanische Daten-Analyst David Shor stellte in umfangreichen Studien fest, dass gebildete Menschen ideologisch kohärentere und extremere Ansichten vertreten als Menschen aus der Arbeiterklasse. Taxifahrer, Putzfrauen, Handwerker oder Lagerarbeiter haben oftmals viel mehr Realitätsbezug und gesunden Menschenverstand als Professoren, Lehrer und höhere Beamte.
Der ideologische Mitläufer sitzt also weniger am Stammtisch, sondern eher im Hörsaal.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen