Panama-Papers: Hurra, endlich wieder das richtige Feindbild!
Spüren Sie das auch? Diesen Elan und diesen Drive, der derzeit durch Deutschland weht? Die Kunde von den „Panama Papers“ ist kaum eine halbe Woche alt, schon ist der halbe Politikbetrieb auf Achse. Justizminister Heiko Maas fordert ein „Transparenzregister“, in dem Briefkastenfirmen ihre wahren Eigentümer offenlegen sollen. Sigmar Gabriel legt seinen alten Wahlkampfschlager aus dem Jahr 2013 wieder auf und beschwert sich über „diese Betrüger“, bei denen es sich um „die wahren Asozialen“ handele. Der Finanzminister hingegen möchte „diesen Ball aufnehmen und ihn weiterspielen“, während Sportskanone Sahra Wagenknecht lieber die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses prüfen will.
Vorbei sind die Zeiten, als ein paar Integrationsunfälle sich selbst und über 30 weitere Menschen in Brüssel in die Luft sprengten und daraufhin eine hitzige Debatte über Datenschutz entbrannte. Um den Schengenraum ging es da, den jeder Terrorist unbehelligt durchqueren kann. Um Informationsaustausch über Grenzen hinweg, was eigentlich mal als Voraussetzung für das Abholzen der Schlagbäume galt. "Datenschutz ist schön, aber in Krisenzeiten hat Sicherheit Vorrang“, bemerkte Thomas de Maizière damals - woraufhin die halbe Republik ins Hyperventilieren geriet. Aber das ist auch schon rund vierzehn Tage her. Heute kann sich der Innenminister mit diesem Motto wieder auf Mehrheiten verlassen. Denn Datenschutz ist wirklich schön, aber in Zeiten des Steuer-Überschusses hat „Transparenz“ eben Vorrang. Halb Molenbeek gefällt das.
Es bereitet immer wieder Freude, dabei zuzusehen, wie die Politik aufs Gaspedal tritt, sobald es um entgangenes Steuergeld geht. Was hätte man nur alles damit anstellen können! Man hätte es den Reichen genommen und den Armen, etwa Besitzern von Solaranlagen und Elektroautos, gegeben. Man hätte damit Gerechtigkeitslücken gestopft, Klüfte verringert und dabei auch gleich das eigene Fundament gestärkt. Nur ein umverteilender Politiker ist ein guter Politiker. Das mag vielleicht gierig klingen, ist es aber nicht. Denn Gier tritt nur bei Menschen mit Briefkastenhintergrund auf.
Da ist es fast schon schade, dass der IS und weitere Angehörige des terroristischen Gewerbes kein nennenswertes Briefkastenimperium in Panama unterhalten. Kaum auszudenken, was dann los wäre. Plötzlich hätten waschechte Kriegsverbrecher nicht nur eine Armada an Journalisten, sondern auch noch Sigmar Gabriel und Ralf Stegner am Hals, die mit der „vollen Härte des Gesetzes“ hantieren und Haftstrafen ohne jeglichen Bonus fordern würden. So allerdings bleibt es beim entspannten Enthaupten und Bomben basteln, ganz ohne Register und Untersuchungsausschuss.
Andererseits sollte man vielleicht auch keine allzu hohen Ansprüche stellen. Um den Paris-Drahtzieher Salah Abdeslam aufzuspüren, benötigten die belgischen Behörden vier Monate und Kommissar Zufall, der durch eine ungewöhnlich üppige Pizzabestellung in Erscheinung trat. Kein Recherche-Konglomerat bot seine Hilfe an. Da ist es tröstlich, dass wir uns wenigstens mit 214.000 Offshore-Firmen leichter tun.
Immerhin geht es nun auch um das schreckliche Unrecht, das vielen Politikern an dieser Stelle widerfährt. „Wegen solcher Verbrecher können wir keine Schulen und Kindergärten bauen!" So klingt das Klagelied, das allerorts angestimmt wird. Und während Sahra Wagenknecht Claudia Roth ein Taschentuch reicht, trauern andere noch all den Straßen hinterher, die leider nicht entstehen konnten. Denn 20 Milliarden Euro Überschuss sind zwar schön, aber freilich nicht genug. Vor allem aber reichen sie wohl nur für unglamouröse Dinge. Für all die schönen Dinge des Lebens hingegen, eben Schulen und Kindergärten, bedarf es scheinbar immer desjenigen Geldes, das gerade irgendwo in Panama oder in der Schweiz herumliegt.
Derweil nähert man sich auch bei den Tagesthemen dem Rande des Nervenzusammenbruchs. Dort nämlich sorgt sich Monika Wagener in einem Kommentarum nichts Geringeres als den „Zustand des politischen Systems“: „Seit Jahren kann jeder sehen, wie die Schere zwischen Arm und Reich auch bei uns immer weiter auseinandergeht, und das hat auch mit Briefkastenfirmen wie in den Panamapapern zu tun.“ Da aber die Bundesregierung ihr zufolge selbst jetzt nur „erwartbar“ reagiert, scheint das politische System schon kurz vor dem Super-GAU zu stehen – zumindest vom ARD-Studio aus betrachtet. Was hingegen bis zu500.000 unregistrierte Migranten über den Zustand dieses politischen Systems aussagen, erfahren wir dann hoffentlich in der nächsten Ausgabe der Tagesthemen.
Bis dahin wartet das Land gespannt auf jedes weitere Stückchen Panamapapier, das uns die zuständigen Journalisten mit Steuerfahnder-Aura servieren. Zwar ist noch nicht überliefert, inwiefern sich wie viele dieser Ganoven überhaupt strafbar gemacht haben. Aber das ist momentan auch nebensächlich. Mit der Unschuldsvermutung verhält es sich eben wie mit dem Datenschutz: Sie ist sicherlich ein nice-to-have, aber deshalb noch lange kein must-have.
Vielleicht täte es uns allerdings doch ganz gut, auf Steuersünder in etwa so wie auf alle anderen Problemgruppen auch zu reagieren. Das hieße: cool bleiben und Ruhe bewahren. So wie nach jedem Terroranschlag. Kurzschlussreaktionen helfen nur den „wahren Asozialen“. Stattdessen sollten wir uns auch einmal fragen, was wir selbst eigentlich falsch gemacht haben. Was haben wir diesen Menschen angetan, dass sie extra komplizierte Strukturen von den Kanalinseln bis nach Panama aufbauen? Haben wir ihr Geld schlecht behandelt? Oder haben wir sie womöglich zu hoch besteuert? Wäre es nicht besser, den Dialog zu suchen, anstatt durch harte Strafen eine weitere Radikalisierung zu riskieren?
Dabei muss man ja gar nicht so weit gehen, Steuerhinterziehern mit Beten und Liebe zu begegnen. Aber wenn Gelassenheit schon gegen den Terror hilft, dann nützt sie doch sicherlich auch ein wenig im Umgang mit Briefkasten-Experten.
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