Montag, 5. November 2012

Republik oder Imperium

Besonderes Augenmerk auf den Schutz des großen Eigentums gelegt: Die Teilnehmer des Verfassungskonvents von Philadelphia (stehend: George Washington; Bildmitte, einander zugewandt: Alexander Hamilton (l.) und Benjamin Franklin) – Gemälde

Die am 17. September 1787 im Konvent von Philadelphia beschlossene US-Verfassung ist kein gutes Vorbild für ein demokratisches Europa.
Gleichheitsforderungen
Demokratisch gesinnt waren jene Teile der kolonialen Elite, die den Unabhängigkeitskrieg gegen England (1775–1783) angeführt hatten in ihrer Mehrheit gerade nicht. Solange der Kontinente umspannende Siebenjährige Krieg der Briten gegen Frankreich, der in Nordamerika die Bezeichnung »French and Indian War« (1754–62) trug, die koloniale Oberschicht auf die militärische Unterstützung durch das englische Mutterland angewiesen sein ließ, hielten sich ihre Proteste gegen die administrative Bevormundung, Zwangsrekrutierungen, die Einquartierungen von englischen Truppen, die Beschlagnahmung von Eigentum und zu viel Steuern in Grenzen. Sobald der Krieg gegen die Franzosen und ihre indianischen Verbündeten jedoch gewonnen war, trat der Wunsch nach Selbstregierung in den Vordergrund. Zumal der Expansion in den damals noch von unabhängigen indianischen Nationen und Stammeskonföderationen besiedelten Westen durch das Interesse Londons am lukrativen Pelzhandel mit den First Nations ein Riegel vorgeschoben war. Zunächst pochten sie auf ihr Recht als Engländer, in Steuerangelegenheiten mitbestimmen zu dürfen. Als ihnen das verwehrt wurde, begannen sie sich zunehmend als Amerikaner zu begreifen, die sich künftig selbst regieren wollten. Um dieses Ziel schließlich mit Gewalt durchzusetzen, waren sie aber auf die tatkräftige Unterstützung der Massen angewiesen, deren Macht sie zugleich jedoch fürchteten. Nicht ohne Grund sahen die Eliten der nordamerikanischen Ostküste ihren politischen Einfluß und ihre Eigentumsrechte durch die schwer zu kalkulierenden Aktivitäten des als Kanonenfutter allerdings gern gesehenen »Pöbels« gefährdet. Denn schon Jahre vor der Unabhängigkeitserklärung (4.7.1776) hatte eine mächtige Bauernbewegung in North Carolina den Aufstand gegen wohlhabende und korrupte Beamte geprobt. In der Zeit von 1766 bis 1771 konnte diese sogenannte Regulatorenbewegung nur durch einen massiven Einsatz des Militärs an einem demokratischen Umsturz gehindert werden. Antielitäre Motive begeisterten auch einen Großteil jener Menschen, die in den Städten gegen die britische Bevormundung revoltierten. »Handwerker verlangten politische Demokratie in den Kolonialstädten: offene Sitzungen repräsentativer Versammlungen, öffentlich zugängliche Emporen in den gesetzgebenden Häusern und die Veröffentlichung von namentlichen Abstimmungen, so daß die Wähler ihre Volksvertreter überprüfen konnten. Sie wollten Versammlungen unter freiem Himmel, so daß die Bevölkerung an der Politik teilnehmen könnte, gerechtere Steuern, Preiskontrollen und die Wahl von Handarbeitern und anderen einfachen Leuten in Regierungspositionen.« (Howard Zinn: Eine Geschichte des amerikanischen Volkes, Bd. 2., Berlin 2006, S. 14) An einigen Orten ging man so weit, die ökonomische Ungleichheit als Gefahr für das angestrebte republikanische Gemeinwesen zu betrachten. In einem 1776 veröffentlichten Rechtekatalog, der im Rahmen der Diskussion um eine Verfassung für Pennsylvania formuliert wurde, hieß es in einer Passage: »Die Übertragung eines riesigen Anteils an Eigentum auf nur wenige Individuen ist gefährlich für diese Rechte und schädlich für das Glück der Allgemeinheit, für die Menschheit; deswegen hat jeder freie Staat aufgrund seiner Gesetze das Recht, den Besitz solchen Eigentums zu erschweren.« (ebd., S. 15) Nach Ansicht des Historikers Howard Zinn bestand die Realität hinter den hehren Worten der am 4. Juli desselben Jahres verkündeten Unabhängigkeitserklärung darin, »daß eine aufstrebende Klasse wichtiger Persönlichkeiten genügend Amerikaner für ihre Seite anwerben mußte, um England zu besiegen, ohne die Beziehungen von Reichtum und Macht zu sehr zu stören, die sich über 150 Jahre kolonialer Geschichte entwickelt hatten. Tatsächlich hatten 69 Prozent der Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung Posten als Kolonialbeamte Englands inne.« (ebd., S. 37) Auch der Kontinentalkongreß, der die aufständischen Kolonien während des Krieges regierte, war von wohlhabenden Männern dominiert, die über die Grenzen der einzelnen Kolonien und späteren Bundesstaaten hinaus durch Klüngel, berufliche und familiäre Verbindungen miteinander verbandelt waren. Durch den Sieg im Unabhängigkeitskrieg entstand eine Situation, die es dieser Gruppe der kolonialen Elite erlaubte, »diejenigen zu ersetzen, die loyal gegenüber England waren, kleinen Landeigentümern einige Vorteile zu verschaffen, und arme weiße Arbeiter und Pachtbauern weitgehend in ihrer alten Situation zu belassen«. (ebd., S. 55)
Schuldenkrise und Revolten
Nach dem Friedensschluß von Paris (1783) spitzten sich die Auseinandersetzungen zwischen dem Volk und der Elite daher wieder zu. Der Oberschicht war nun vor allem daran gelegen, die Geschicke des Staates zu ihren eigenen Gunsten selbst zu lenken. Die Expansionsinteressen von Landspekulanten, Bankiers, Kaufleuten und Großgrundbesitzern waren für sie mit dem allgemeinen Wohl identisch. Nicht demokratische Volksversammlungen entsprachen ihrem politischen Ideal, sondern der gepflegte Disput gebildeter Staatsmänner aus gutem Hause nach dem Vorbild des antiken Roms. Doch war es nach erfolgreichem Kampf schwer, den demokratischen Geist einer zudem bewaffneten Bevölkerung wieder in die Flasche zu bekommen. Auf vielen Massenversammlungen ging es nun um die Frage, wie die staatlichen Kriegsschulden auf eine gerechte Weise zu begleichen wären. Der Kontinentalkongreß hatte entschieden, »die reichen Spekulanten, die die Schuldscheine zu herabgesetzten Preisen aufgekauft hatten, voll auszubezahlen«. (David Graeber, Inside Occupy, Frankfurt a. M. 2012, S. 109) Während Teile der Oberschicht, die mit den politischen Meinungsführern auf vielfältige Weise verbunden waren, davon profitierten, mußten die einfachen Farmer, die gerade noch für die Unabhängigkeit ihres Landes gekämpft hatten, die Zeche bezahlen. »Tausende von heimkehrenden Veteranen des Revolutionskriegs sahen sich vom Sheriff begrüßt, der gekommen war, um ihren wertvollsten Besitz einzuziehen.« (ebd.) Es folgten eine Reihe von Revolten und zwei blutig niedergeschlagene Volkserhebungen im westlichen Massachusetts und im ländlichen Pennsylvania. Da in diesem Zusammenhang der Ruf nach Gesetzen erscholl, die auf die Enteignung der großen Spekulanten zielten, ist es erklärlich, daß jene 55köpfige Delegation der konföderierten Staaten, die von Mai bis September 1787 in Philadelphia über eine Verfassung beriet, mit der die erst 1777 beschlossenen Konföderationsartikel (»Articles of Confederation«) ersetzt werden sollten, auf den dauerhaften Schutz des großen Eigentums ein besonderes Augenmerk legte. Überwiegend handelte es sich um angesehene Rechtsanwälte, Mitglieder der südstaatlichen Pflanzeraristokratie, wohlhabende Kaufleute und andere Angehörige der sozioökonomischen Elite, die sich von einer starken Bundesregierung einige Vorteile versprachen.
Filter gegen Demokratie
Es beginnt mit einer Lüge: »Das Volk der Vereinigten Staaten« war am Zustandekommen des Verfassungsdokuments (hier die Titelseite des Originals) nicht beteiligt, sondern ausschließlich Vertreter aus dessen Oberschicht
Radikale Volksführer wie Samuel Adams und Patrick Henry hatten von vornherein auf die Teilnahme am Verfassungskonvent verzichtet. Sie konnten deshalb auch nicht verhindern, daß sich die Delegierten über ihre Vollmachten hinwegsetzten, die ausdrücklich lediglich eine Revision der Articles of Confederation vorsahen. Diese beruhten im wesentlichen noch auf dem Prinzip der einzelstaatlichen Souveränität. Was dann 1789 als Bundesverfassung zur Ratifizierung vorgeschlagen und schließlich auch angenommen werden sollte, war vor allem von der Absicht getragen, »durch den Bereich der Bundespolitik eine der direkten Einwirkung des Volkes entrückte Sphäre zu schaffen, einen die Elite bevorzugenden Filtereffekt zu erzielen sowie Kontrollmöglichkeiten gegenüber Radikalisierungsprozessen zu schaffen«. (Hans-Christoph Schröder: a.a.O., S. 143) Aus Furcht, die erwarteten Konflikte zwischen Arm und Reich könnten zu ihren Ungunsten entschieden werden, ersannen die Delegierten in Philadelphia eine Reihe von Verfassungsmechanismen, mit deren Hilfe die Interessen der Wohlhabenden gewahrt werden und die Einrichtung von radikaldemokratischen Gemeinwesen verhindert werden sollten, wie sie 1776 in Pennsylvania und 1777 auch in Vermont konstituiert worden waren und den Einspruch von Politikern hervorgerufen hatten, die in demokratischen Verfassungen vor allem eine Gefahr für die wirtschaftliche Prosperität und den Fortbestand der gerade errungenen Souveränität des Staatenbundes zu erkennen glaubten. Sie bemühten sich daher, die noch zu schaffenden Verfassungsorgane dem unmittelbaren Einfluß des Volkes zu entziehen. »Da der amerikanische Unabhängigkeitskrieg im Namen des ›Volkes‹ geführt worden war, mußte nach Ansicht der Gestalter des neuen Amerika deshalb an irgendeinem Punkt auch ›das ganze Volk‹ zu Rate gezogen werden. Sinn und Zweck der Verfassung jedoch war einzig und allein, dafür zu sorgen, daß diese Hinzuziehung extrem beschränkt blieb, damit eben keine ›Schrecken der Demokratie‹ zu gewärtigen wären. Rom galt dabei als Ideal, weil dort die perfekte Balance zwischen drei elementaren Regierungsprinzipien geherrscht zu haben schien, die man in allen bekannten Formen menschlicher Gesellschaft gegeben sah: Demokratie, Aristokratie und Monarchie. (...) Die Funktion des Monarchen sollte ein vom Senat gewählter Präsident erfüllen, der Senat selber die Interessen der wohlhabenden Aristokratie vertreten und der Kongreß schließlich das demokratische Element repräsentieren (...). Durch die zeitlich begrenzte Wahl von Quasimonarchen und Repräsentanten versuchten die Gestalter der Verfassung, eine Art ›natürliche Aristokratie‹ zu schaffen, die sich aus den gebildeten und begüterten Klassen zusammensetzte.« (David Graeber: a.a.O., S. 106)
Die Verfassungsdebatte
Ausgangslage der Verfassungsdebatte war die Lager übergreifende Auffassung der Eliten, daß die erst 1781 in Kraft getretenen Konföderationsartikel des Staatenbundes, die noch von einem starken Mißtrauen gegenüber einer Zentralgewalt sowie einer Mischung aus republikanisch-konservativen und demokratisch-egalitären Impulsen geprägt waren, einer Überarbeitung bedürften, um »die Finanzierung des Krieges und die Aufrechterhaltung der Kreditwürdigkeit der USA in Europa und damit seine eigene Glaubwürdigkeit als von allen Mitgliedsstaaten der Union bevollmächtigten Gesprächspartner für die in Nordamerika auch weiterhin anwesenden Kolonialmächte« zu gewährleisten (Angela Adams/Willi Paul Adams (Hg.): Die Federalist-Artikel. Politische Theorie und Verfassungskommentar der amerikanischen Gründerväter. Paderborn u.a. 1994, S. XXVIII). Zudem hatte der Revolutionskrieg vor allem unter den Offizieren der Kontinentalarmee ein gesamtamerikanisches Nationalgefühl ausgeprägt, das sich mit der Auffassung verband, nur ein Zusammenschluß der Einzelstaaten unter einer stärkeren Zentralgewalt könne ihre außenpolitischen Interessen in einer antagonistischen Staatenwelt befördern und verhindern, als Wirtschaftsmacht von der internationalen Konkurrenz ausgebootet zu werden. Hinzu kam die Absicht, dem Verlangen der mittellosen Klassen nach mehr politischem Einfluß und ökonomischer Teilhabe wirksame Schranken entgegenzusetzen. »Insbesondere der ›rechte Flügel‹ derer, die an der Ausarbeitung der Verfassung beteiligt waren, die sogenannten Federalists um Alexander Hamilton, sahen (…) die zentrale Herausforderung darin, daß ein ›demokratisches‹ Repräsentativsystem den effektiven Einfluß mittelloser Volksmassen nach Möglichkeit beschränken und verhindern sollte.« (David Salomon, Demokratie, Köln 2012, S. 41) Der Ratifizierung der Bundesverfassung von 1787 ging eine langwierige und intensive Debatte voran, deren Kontrahenten sich grob zwei Lagern zurechnen lassen. Die sogenannten Federalists um Alexander Hamilton, einem in das New Yorker Großbürgertum aufgestiegenen Adjutanten des Revolutionsgenerals und späteren ersten US-Präsidenten George Washington, den Großgrundbesitzer James Madison und den ebenfalls aus einer einflußreichen Kaufmanns- und Grundbesitzerfamilie stammenden John Jay plädierten für einen starken Bundesstaat, der den fragilen politischen Rahmen der Articles of Confederation ablösen sollte. Dagegen wandten sich die heute namentlich weitgehend unbekannten Anti-Federalists gegen eine Schwächung der Einzelstaaten, die ihrer Ansicht nach das Ideal eines an kleine politische Einheiten und wirksamen sozialen Ausgleich gebundenen Republikanismus zu untergraben drohte. Sie warnten vor der Übermacht einer zentralistischen Bundesregierung und bedienten sich dabei des gleichen Vokabulars, das 1776 gegen die englische Kolonialherrschaft gerichtet worden war. Um einer Dominanz ökonomischer Eliten entgegenzuwirken schlugen sie vor, die politischen Repräsentationsorgane mit so vielen Delegierten zu beschicken, daß sie den allgemeinen Willen und nicht die Partikularinteressen von Eliten repräsentieren konnten. Um zu zeigen, daß eine vernünftige Gesellschaft auch ohne starke Zentralgewalt möglich ist, verwiesen manche Gegner der Bundesverfassung auf das Beispiel der benachbarten Indianer. In ihren Augen belegten Stammeskonföderationen wie der Irokesenbund, daß man sich den Naturzustand nicht als chaotisches Gewaltverhältnis, sondern als demokratische Ordnung vorzustellen habe und ein Sicherheitssystem, das von Milizen gebildet wird, der Einführung einer stehenden Bundesarmee vorzuziehen sei. Die Federalists dagegen plädierten für einen deutlich weniger demokratischen Staat, der über genügend Repressionsmittel verfügte, um die wirtschaftlichen Interessen der besitzenden Klassen gegen alle Anfechtungen nach innen und außen zu schützen. Wo die Federalists Erfordernisse moderner ökonomischer Begriffe in Anschlag brachten und dabei mitunter ganz offen auch Profitinteressen artikulierten, argumentierten die Anti-Federalists mit Versatzstücken des überkommenen humanistischen Diskurses, der in Ungleichheit und Luxus eine Gefahr für die republikanische Tugend erkannte. Die heftige Diskussion mündete schließlich in der Ratifizierung jener föderalistischen Bundesverfassung, auf die sich deutsche Autoren heute gerne beziehen, wenn sie in der Debatte um die Zukunft der Europäischen Union einer Forcierung des politischen Einigungsprozesses das Wort reden.
Vereinigte Staaten von Europa?
Obwohl es auf das Insistieren der Anti-Federalists zurückzuführen ist, daß die US-Verfassung durch einen Grundrechtekatalog, die Bill of Rights, ergänzt wurde, beziehen sich die heutigen Bewunderer der US-Verfassung in der Regel allein auf die oben erwähnten Texte der Federalists, die unter dem Titel »Federalist Papers« in Buchform publiziert wurden und auch in deutscher Übersetzung zugänglich sind. Während die Polemiken der Federalists heute als politischer Klassiker gehandelt werden, sind ihre in mancherlei Hinsicht deutlich demokratischer argumentierenden Gegner auch an den hiesigen Universitäten weitgehend unbekannt. Schon in Hannah Arendts glänzend geschriebener Geschichtsinterpretation »Über die Revolution« (1965) kommen sie als eigenständige Position im ansonsten breit geschilderten Diskurs der Amerikanischen Revolution überhaupt nicht vor. Da die sozialen Kämpfe in der ideengeschichtlichen Überlieferung weitgehend ausgeklammert werden, suggeriert die heute in Schulen und Universitäten übliche Interpretation der vor 225 Jahren geführten Verfassungsdebatte, es sei darin vor allem um Fragen der Machttechnik und der Legitimation gegangen. Diese Blickverengung führte dazu, daß die wirtschaftsliberale und machtzentralistische Perspektive heute quer durch alle politischen Lager als die vermeintlich authentische Position der amerikanischen Revolutionäre gilt. So begründete der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Notwendigkeit von mehr außen- und sicherheitspolitischer Handlungsfähigkeit der EU in seiner wegen zahlreicher Plagiate zu zweifelhaftem Ruhm gelangten Dissertation (Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU, Berlin 2009) nicht zuletzt damit, daß die Erweiterung des politischen Handlungsspielraums ein Leitmotiv schon der Federalist Papers gewesen sei. Dem gleichen Interpretationsrahmen bleiben leider auch linksliberale Denker wie Jürgen Habermas, Oskar Negt und Micha Brumlik verhaftet, wenn sie sich mit dem Verweis auf die US-Verfassungsdebatte für den Bundesstaat Europa stark machen. Wenn Brumlik dieses Gebilde zu einem weltweit vorbildlichen Beispiel für »angstfreies Anderssein und versöhnte Verschiedenheit« (»Föderalisten mit halbem Herzen«, taz, 13.8.2012) erklärt, Habermas die Zentralisierung der politischen Entscheidungsprozesse als entscheidenden »Schritt auf dem Weg zu einer politisch verfaßten Weltgesellschaft« (Zur Verfassung Europas. Ein Essay. Berlin 2011, S. 40) fordert und Negt die Auffassung vertritt, daß der heutigen sozialen Schieflage und dem eklatanten Demokratiedefizit in Europa mit noch einzuführenden »Pflichtinstitutionen für Erwachsenenbildung« (Gesellschaftsentwurf Europa. Plädoyer für ein gerechtes Gemeinwesen, Göttingen 2012, S. 88) wirksam begegnet werden könnte, dann fällt es schwer, darin etwas anderes zu sehen als ein gefährlich naives Wunschdenken. Schon die bundesstaatliche US-Verfassung erweist sich im Rückblick als ein »Maßnahmenkatalog zur Verhinderug revolutionärer Erneuerung« (Knepler, a.a.O., S. 79). Sie »wirkte damals und wirkt heute in den USA und in riesigen Territorien der Erde gegen jeden Versuch, Gleichberechtigung durchzusetzen«. (ebd.)
(c) Thomas Wagner, jW

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