Werner Rügemer hat ein aufschlußreiches Buch über Ratingagenturen geschrieben
Wer steckt hinter den Ratingagenturen? Sie behaupten, sie hätten eine unparteiische Wächterfunktion. Oder gehören sie nicht zur Gilde der Anlagebetrüger und Bankster? Sie sorgten jedenfalls immer wieder für heftige Verstimmungen zwischen den Vereinigten Staaten und der EU. Antworten gibt das bemerkenswerte Buch von Werner Rügemer »Ratingagenturen. Einblicke in die Kapitalmacht der Gegenwart«.
Als sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden, spielten sie im Dschungel der schon damals von Abzockern, Hochstaplern und Defraudanten durchsetzten Bankbranche eine durchaus positive Rolle. Auf den undurchsichtigen Finanzmärkten prüften sie die angebotenen Schatzbriefe und die dahinter stehenden Unternehmen oder Staaten auf ihre Bonität. Schon bald wurde in den Statuten vieler Pensionsfonds gefordert, daß Gelder nur noch in Papiere investiert werden durften, die von den Ratingagenturen die beste Bewertung erhalten hatten. Die Agenturen hatten damals die strikte Auflage, selbst keine Finanzgeschäfte zu tätigen. Es war ihnen streng verboten, den Verkäufern von Wertpapieren gegen Bezahlung Bonitätsbescheinigungen auszustellen. Denn es lag auf der Hand, daß die Agenturen bei der anschließenden Bewertung der gleichen Papiere für die Käufer nicht mehr unvoreingenommen urteilen konnten. Diese und andere vernünftige Regeln sollten Betrug, Schiebung und Korruption verhindern. Sie alle wurden im Zuge der neoliberalen Deregulierung der US-Finanzbranche Mitte der 90er Jahre unter US-Präsident William Clinton als »rückständig« entsorgt.
Damit war der Weg für den modernen, hocheffizienten Finanzmarkt frei, der mit seinen »innovativen«, aber hochspekulativen »Finanzprodukten« das angeblich postindustrielle Zeitalter einläutete. Das war, wie in den letzten vier bis fünf Jahren fast jedem klargeworden sein dürfte, ausschließlich heiße Luft.
Bei der neoliberalen Transformation des Finanzwesens spielten die Ratingagenturen eine Schlüsselrolle, die von den bürgerlichen Medien entweder ignoriert oder verharmlost wird. Werner Rügemer belegt nun mit akribischer Genauigkeit die außerordentliche kriminelle Energie, mit der die Agenturen gemeinsam mit Hedgefonds, Großinvestoren und Bankstern die Bevölkerung ausplündern, sogar ganze Staaten abzocken und dabei traumhafte Profite einstreichen – auch in der Krise, bei fallenden Kursen.
Seit Beginn der Finanz-, Wirtschafts- und Euro-Krise werden die beiden marktbeherrschenden US-Ratingagenturen Standard and Poor’s (S&P) und Moody’s wegen ihrer schlechten Botschaften im aus den Fugen geratenen Euro-System für das politökonomische Debakel der Gemeinschaftswährung verantwortlich gemacht. Die Regierungen des alten Kontinents sprechen sich so von jeglicher Verantwortung für die wirtschaftliche und soziale Katastrophe frei, die insbesondere in den Randgebieten der Euro-Zone Millionen Menschen trifft. Ihre Forderung nach einer »Europäischen Ratingagentur« kündet von der Hoffnung, daß eine solche Einrichtung den EU-Bankstern entsprechende Gefälligkeitsgutachten ausstellen würde. In seinem sehr übersichtlich gehaltenen, sehr gut lesbaren 200-Seiten-Buch erklärt Rügemer die Eigentümerstruktur der großen Agenturen. Es handelt sich dabei um die größten Hedge- und Investmentfonds, die aus der hohen und dauerhaften Verschuldung von Unternehmen, Staaten und Konsumenten Gewinn ziehen. Die Agenturen sind Teil der gegenwärtigen Kapitalmacht. Als vermeintlich unabhängige und objektive Beobachter des Marktes helfen sie ihren Besitzern, ganze Volkswirtschaften zu enteignen. Dabei schrecken sie vor suggestiven Bonitätseinstufungen ebensowenig zurück wie vor der Inszenierung von Krisen.
Möchten sie diese Seite unterstützen?
Dann tätigen sie ihre Amazon- Einkäufe über diesen Link:
Einkaufen bei Amazon.de
Urheberrecht & Kontakt
Alle Artikel dieser Seite dürfen übernommen werden. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass der Urheber erwähnt und ein Verweis auf den Originalartikel gesetzt wird.
Sollte eine Nutzung zu kommerziellen Zwecken erfolgen, bedarf dies der vorherigen ausdrücklichen Genehmigung des Seiteninhabers. Das betrifft auch die Nutzung seiner spezifischen Gedanken zur Zweitverwertung.
Kontakt: Benutzt hierfür die Kommentarfunktion unter einen x-beliebigen Artikel. Dieser "Kommentar" wird nicht veröffentlicht, wenn ihr darauf hinweist oder es anderweitig erkennbar ist, dass der Kommentar nicht veröffentlicht werden soll.
Für Personen, die sich im Dienste staatlicher Überwachungsorgane befinden, Personen, die meinen Interessen aus Überzeugung heraus zuwiderhandeln oder Personen, die mich schädigen wollen, gilt Obiges nicht und diese Personen werden zudem ausdrücklich aufgefordert, diese Seite unverzüglich zu verlassen.
Anderenfalls begehen diese Personen einen "virtuellen Hausfriedensbruch". Nach geltender Rechtssprechung handelt es sich dabei um eine Straftat.
Sollte irgend jemand auf dieser Seite sein Urheberrecht oder sonstige Rechte beeinträchtigt sehen, so wende er sich über die Kommentarfunktion direkt an den Seitenbetreiber. Es ist unnötig, wegen irgendwelcher etwaigen Ansprüche an den Seitenbetreiber, kostenverursachende Maßnahmen einzuleiten, bevor diesen Ansprüchen halber der Seitenbetreiber kontaktiert wurde. Eine solche Vorgehensweise wird sogar vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Kostenpflichtige Abmahnungen und dergleichen sind laut geltender Rechtssprechung sekundäre Maßnahmen.
Der Seiteninhaber ist nicht verantwortlich für den Inhalt fremder, aber von seiner Seite 'verlinkter' Seiten. Dies gilt erst recht, wenn sog. Kommentatoren die 'Links' gesetzt haben.
Der Inhalt der von dieser Seite 'verlinkten' Seiten muss weder insgesamt, noch teilweise der Sichtweise des Seitenbetreibers entsprechen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen