Ist es nur blinder Aktionismus oder was versteckt sich hinter der Forderung Hessens, in Deutschland einen neuen Strafparagraphen einführen zu wollen?
Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) fordert angesichts der zunehmenden Gewalt gegen Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte höhere Strafen für die Täter. Der Politiker verlangt jetzt einen neuen "Schutzparagraf 112" im Strafgesetzbuch. Angriffe auf Beamte der Polizei, Helfer von Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienste sollen künftig mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet werden. In besonders schweren Fällen mit sogar bis zu zehn Jahren Haft.
Das hessische Landeskabinett hat eine entsprechende Bundesratsinitiative Anfang der Woche beschlossen, die auf der kommenden Innenministerkonferenz beraten werden soll.
Die WeltDer christdemokratische Rechtswissenschaftler und Innenminister Beuth scheint mit samt seiner Berater keine Kenntnis von den bestehenden Paragraphen zu haben. Wie soll man das Unglaubliche sonst verstehen, wenn hochbezahlte Staatsdiener und Politiker alten Wein in neuen Schläuchen verschachern wollen? Einfach nur als "politisches Signal" (Beuth)?
Ein Blick ins Strafgesetzbuch genügt, um den Unsinn des hessischen Vorgehens zu verdeutlichen.
Das Strafgesetzbuch enthält u.a. den § 125 für Landfriedensbruch, in dem ein Strafmaß von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe für minderschwere Fälle angedroht wird. Schwerer Landfriedensbruch wird vom § 125a mit einer Strafandrohung von bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe abgedeckt.
Hinzu kommen die Paragraphen 113 (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Strafandrohung bis zu 5 Jahren Freiheitsentzug) und 114 (Widerstand gegen Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen). Der Paragraph 114 dient also dem Schutz von Feuerwehrleuten und Rettungskräften.
Es gibt aber auch andere relevante Strafparagraphen (siehe Foto oben). Zum Beispiel den für Brandstiftung (§306), der ein Strafmaß von bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug beinhaltet oder den für schwere Brandstiftung (§306 a), der sogar eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsentzug einfordert.
Die Forderung nach höheren Strafen kann unmöglich dadurch erreicht werden, in dem die Politik das bereits vorhandene Strafmaß einfordert. Allenfalls stößt man sich in Wiesbaden am Gesetzestext. Aber auch hier wird nur längst Vorhandenes erneut eingefordert. Das Problem liegt also nicht in fehlenden Paragraphen oder in zu geringen Strafandrohungen begründet.
Und genau hier ist der Knackpunkt. Solange sich die Justiz weigert, die vorhandenen Strafandrohungen auch nur annähernd auszunutzen, macht es juristisch keinen Sinn nach neuen Gesetzen zu schreien, in denen eben nur bereits vorhandene Strafandrohungen eingebracht werden sollen.
Übrigens betreibt die Justiz in ganz bestimmten Fällen immer wieder Rechtsbeugung und Strafvereitelung, wenn sie sich weigert, Straftaten, die aus einer Gruppe heraus begangen worden sind, zu ahnden, weil den einzelnen Gruppenmitgliedern eine exakte persönliche Straftatbeteiligung nachgewiesen werden müsste.
Lapidar heißt es dann beispielsweise, die fünf jungen Männer hätten zwar gemeinsam das Opfer verprügelt, doch wäre es nicht zweifelsfrei feststellbar, welcher der fünf jungen Männer den entscheidenden Schlag ausführte, der zum Tod des Opfers führen sollte. Deshalb sind die fünf Männer so abzuurteilen, als ob sie diesen entscheidenden Schlag nicht ausgeführt hätten. Dann war es eben keiner von ihnen, obwohl es jeder anerkennt, dass es einer von ihnen gewesen sein muss.
Werden Straftaten aus einer Gruppe heraus begangen, an deren Ausübung sich alle Gruppenmitglieder unabhängig von ihrer individuellen Tatbeteiligung beteiligt haben (den einzelnen Gruppenmitgliedern ist eine Tatbeteiligung nachzuweisen, jedoch nicht die tatsächliche Tatbeteiligung) ist die Gruppe wie ein Einzeltäter zu bestrafen.
Die Anwendung dieser Rechtsnorm wird von Subjekten wie Peter Beuth nicht eingefordert. Warum nicht?
Härtere Strafen können hier abschreckend wirken", sagte der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow der "Welt". In Zukunft müssten Übergriffe auf Polizisten und Helfer nicht mehr nur als Körperverletzung, sondern als besonderes Vergehen gewertet werden. Die Gewerkschaft fordert seit vielen Jahren eine Strafverschärfung.Die Forderung des GdP-Bundesvorsitzenden sollte also nur als Forderung an die Auslegungspraxis der Justiz verstanden werden.
Im Umkehrschluß wäre es allerdings angebracht, wenn Polizeiübergriffe und Polizeiwillkür zukünftig nicht mehr nur als Bagatelldelikte - falls sie überhaupt verfolgt werden - sondern als besondere Straftaten gegen die Zivilbevölkerung gewertet werden würden.
Hier sieht der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft scheinbar keinen Handlungbedarf. Deshalb sei hier an die Worte des größten deutschen Dichters erinnert:
Jeder kehre vor seiner eigenen Tür, und die Welt ist sauber.
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