Man kann von Hendryk M. Broder halten, was man will. Ich, zum Beispiel, halte nichts von Broder. Doch Broders Text "
Hängt ihn tiefer", mit dem er all die haltlose Lobhudelei auf Grass tadelt, spricht mir aus der Seele. Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals unkommentiert einen Text von Broder veröffentlichen würde. Zudem noch einen aus der "
Blöd". Dieser hat es aber ausnahmsweise verdient:
HENRYK M. BRODER ÜBER GÜNTER GRASS († 87)
"Hängt ihn tiefer!"
Es ist ein alter Brauch, über Tote nur gut zu reden. Schon die Römer sagten: „De mortuis nihil nisi bene.“
Deswegen wird nirgendwo mehr gelogen als in Nachrufen.
Jeder kleine Despot, der seine Frau und seine Kinder quälte, verwandelt sich in einen „liebevollen Familienvater“; jeder Versager hatte, kaum dass er tot ist, „ein erfülltes Leben“.
Wie man Trauer inszenieren kann, haben wir zuletzt nach dem Ableben des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-il erlebt. Ein ganzes Volk wollte nicht mehr leben, weil der „geliebte Führer“ nicht mehr da war.
Verglichen damit sind die Reaktionen auf den Tod von Günter Grass harmlos, wenn auch nicht weniger verlogen.
In „aspekte“, dem Kulturmagazin des ZDF, wurde Grass zum „Vater der Nation“ gesalbt, er sei ein „homo politicus“ gewesen, nur mit Grass im Rücken habe Willy Brandt seine Ostpolitik durchsetzen können, sogar Brandts Kniefall in Warschau sei von Grass „literarisch vorbereitet“ worden.
Grass habe auch einen maßgeblichen Anteil daran gehabt, dass Gerhard Schröder den Amis im Irak-Krieg die Gefolgschaft verweigerte.
Das ist so gaga und überzeichnet, dass nicht einmal das Gegenteil richtig wäre. Solche Lobgesänge zeugen nicht von Grassens Größe, sondern von dem Bedürfnis seiner Fans, sich einen Heiligen zu erschaffen, den sie anbeten können.
Den Supernachruf auf Günter Grass hat allerdings kein Literaturkritiker verfasst, sondern unser Außenminister, Frank-Walter Steinmeier.
Er schrieb: „Mit dem Tod von Günter Grass hat Deutschland einen seiner ganz Großen verloren. Eine Vaterfigur für die erwachsen werdende Bundesrepublik, an der sich viele gerieben haben – besonders die, die das Vergangene möglichst schnell vergessen machen wollten. Er wird uns fehlen als Schriftsteller, als Bildhauer, als Mahner, Warner und Visionär. Lieber Günter, halte Dein kritisches Auge auf uns.“
Also: Hängt ihn tiefer!
Grass war ein schwadronierender Langweiler, ein geschwätziger Wortakrobat, der blutleere Figuren nach seinem Abbild formte. Er hat so geschrieben, wie ältere Damen ihren Nachmittagskaffee trinken – mit abgespreiztem kleinen Finger.
Auch Kritiker, die ihn in den Himmel lobten, gaben unter vier Augen zu, dass sie Mühe hatten, seine Bücher von der ersten bis zur letzten Seite zu lesen.
Ihn einen „ganz Großen“ zu nennen, ist eine Beleidigung für Erich Maria Remarque, Heinrich Mann, Oskar Maria Graf, Hans Fallada und viele andere deutsche Dichter. Von den Klassikern der modernen Literatur wie Mark Twain, Victor Hugo und Jules Verne nicht zu reden.
Dass Grass mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt wurde, bedeutet gar nichts. Wenn Arafat und Obama mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet werden konnten, dann hat auch Grass den Literaturnobelpreis verdient.
Sein Engagement, von dem in den letzten Tagen so oft die Rede war, war vor allem ein Engagement für sich selbst. Alles, was Grass in seinem Leben als „homo politicus“ jemals riskierte, war eine Einladung ins Bundeskanzleramt.
Der große „Warner und Visionär“, die „moralische Instanz“, die angeblich jenen ein Dorn im Auge war, die das Vergangene möglichst schnell vergessen machen wollten, hatte sein eigenes Gastspiel bei der Waffen-SS vergessen.
Möge er nun in Frieden ruhen und der Allmächtige seinen Nachrednern vergeben.
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