Was soll der US-Bürger denn eigentlich fürchten?
Zwischen dem Krieg und den USA liegt der Atlantische Ozean. Also muß man den US-Bürgern einreden, alle Mitbürger mit deutschen Ursprüngen seien unsichere Kantonisten und deswegen befände sich die Gefahr, ja der Weltkrieg selber, ganz akut auf US-amerikanischem Boden. Präsident Wilson hatte in seiner Kriegsansprache im Kongress am 2.4.1917 noch erklärt, man werde einen Unterschied machen zwischen den Herrschern in Deutschland und dem deutschen Volk; ja, man stünde den Deutschen mit Sympathie gegenüber. Da war Wilson gut beraten. Denn er benötigte auch die Stimmen jener Kongressmänner, die Deutsch-Amerikaner vertraten.
Nun ist aber alles ganz anders. Council on Public Information, American Protective League und das ganze Netzwerk der Unternehmerverbände entfachen eine Diffamierungskampagne gegen die "Deutsche Rasse". Die Deutschen sind jetzt die "Hunnen". Von Natur aus blutrünstig. Der uns schon bekannte Lord James Bryce, der, der den "Fatalismus der Massen" zu preisen wusste anstelle der "Tyrannei der Mehrheit", der selbe Bryce, der mit Mussolini-Freund Nicholas Butler in einem anglophilen Männerklub zusammensaß, hatte 1915 einen Bericht im Auftrag der englischen Regierung verfasst über die Untaten deutscher Soldaten im besetzten Belgien....Was der Bryce-Bericht allerdings an "Beweisen" aufbot, war bemerkenswert: deutsche Soldaten vergewaltigen im Rudel auf dem Marktplatz belgische Frauen; deutsche Soldaten köpfen und zerteilen belgische Babies und trinken ihr Blut usw. Für solche schwarzen Messen unter freiem Himmel fanden sich trotz angestrengter Suche nach dem Weltkrieg keinerlei Beweise.
Aber der Stoff, aus dem die Entmenschlichung und Dämonisierung aller Deutschen gestrickt werden kann, lässt sich nun weidlich ausschlachten. Stanford-Professor Vernon Kellog posaunt:
"Wird es denn ein Wunder sein, wenn nach dem Krieg die Völker der Welt beim Anblick eines menschlichen Wesens, das sie als Deutschen erkennen, beiseite huschen, damit sie auf dem Bürgersteig nicht mit ihm in Berührung geraten, oder sie sich nach Steinen bücken, um es von ihrem Weg zu vertreiben?"
So plötzlich kommt die Umwandlung aller Deutschen zum Untermenschen jedoch nicht. Die Deutsch-Amerikaner bezeichnet man, wie auch die Iren oder die Italiener, als "Bindestrich-Amerikaner", hyphenated Americans, was schon vorneherein die Loyalität in Frage stellen soll. So tönt Theodore Roosevelt, der bekanntlich nie um ein markiges Wort verlegen ist, 1912: "Diese Bindestrich-Amerikaner, die amerikanische Politiker durch ihre Drohung mit fremdländischer Stimmabgabe (soll heißen: linker H.P.) terrorisieren, sind verwickelt in den Verrat an der amerikanischen Republik". Jetzt, im Krieg, posaunt Teddy, müsse man jeden Deutschen hängen oder erschießen, der auch nur kleinste Anzeichen von Illoyalität erkennen lässt <Higham, 208>
Und Präsident Wilson macht schon 1915 Stimmung gegen Deutsche: "...diese Bindestrich-Amerikaner haben das Gift der Illoyalität in die Arterien unseres nationalen Lebens gespritzt.* Solche Kreaturen von Leidenschaft, Illoyalität und Anarchie müssen zerdrückt werden (crushed out)." Deutsche, Iren und Italiener als Insekten, die man mit dem Daumen zerdrückt. Schließlich noch Rudyard Kipling, der in seinen Werken die "Bürde des Weißen Mannes" besingt, der die niederen Rassen führen muss, 1915 über die Deutschen: "Wie immer die Welt sich selber einteilen mag: es gibt nur zwei Gruppen in der Welt: Menschen und Deutsche."
Sogar die nordizistisch-eugenischen Rassentheoretiker stellen sich rasch um. In Friedenszeiten hatte der Präsident des Massachusetts Institute of Technology, Francis Amasa Walker, noch "von jenen Stämmen" geschwärmt, "die sich unter den Eichen des altertümlichen Deutschlands versammelten, um Gesetze zu machen und Häuptlinge zu wählen." William Ripley hatte damals einer der drei Hauptrassen Europas den Namen "Teutonen" gegeben. Madison Grant hatte diesen Namen in der ersten Auflage seines Buches "Der Niedergang der großen Rasse" 1916 übernommen. In der zweiten Auflage wird "Teutonen" 1918 rasch in "Nordics" umgetauft. Und nun gehören die meisten Deutschen mit einem Schlag der alpinen Rasse** an. William S. Sadler und Henry Fairfield Osborn entdecken plötzlich, dass die meisten Deutschen von asiatischen Barbaren abstammen. Wieder einmal erkennt der Laie, wie geschmeidig sich die Wissenschaft den Interessen mächtiger Geldgeber anpassen kann.
Wie meint dazu der Soziologieprofessor an Rockefellers University of Chicago, Harold Lasswell? Kein Zweifel, so sagt er, "...dass zukünftig der Propagandist sich auf ein Bataillon von ehrenhaften Professoren verlassen kann, die die Geschichte umschreiben; die den Erfordernissen des Augenblicks dienlich sind; und die das Material dem Propagandisten zur Verfügung stellen, um es überall hin auszustreuen."
* Er meint damit die Gründung von Gewerkschaften und sozialdemokratischen, sozialistischen oder anarchistischen Organisationen im (damaligen) Sklavenhalter- und Apartheidstaat USA.
** Unter "alpiner Rasse" versteht man damals eine minderwertige halbnegride Mischrasse.
Teil 1 (Fortsetzung folgt)
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