Freitag, 19. November 2010

Psychokrieg an der Heimatfront

Mal wieder geht sie um in Deutschland: die Terrorangst. Zwar betont Innenminister de Maizière, es bestehe gerade dafür kein Anlass, er sehe lediglich Grund zur Besorgnis. Aber allein die Tatsache, dass das für Sicherheitspolitik zuständige Regierungsmitglied erklärt, man habe „konkrete Ermittlungsansätze und konkrete Spuren“ für geplan­te Anschläge, sorgt schon für das Gegenteil: Eine mediale Hysterie. War das denn nicht vorhersehbar?
Mit Sicherheit sehr viel berechenbarer als die ominösen Terroristen sind jedenfalls die Vertreter der bundesdeutschen Medienlandschaft. Folgerichtig wird umgehend wahlweise ein „Psychokrieg“ ausgerufen oder man wähnt Deutschland im Visier eines bebrillten Bartträgers namens Mohammed Ilyas Kashmiri. Auch wird dann munter speku­liert über mögliche Anschlagsziele: Bahnhöfe, Flughäfen, Regierungs­gebäude – oder schlagen die finsteren Gesellen am Ende gar auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt zu?
Von Vorteil ist dabei, dass nichts auch nur ansatzweise belegt werden muss. Man munkelt nur von „Ge­heimdienstkreisen“, „ausländischen Partnern“ oder davon, was im „afghanisch-pakistanischen Grenzge­biet“ so alles erzählt wird. Als Täter treten natürlich dann die üblichen Verdächtigen auf, wir kennen sie bereits zur Genüge – oder meinen zumindest, sie zu kennen: Die Islamisten von al Qaida. Wer denn diese Gruppe eigentlich ist bzw. wer hinter dem Label steckt, das interessiert kaum jemanden wirklich. Der Name allein wirkt schon.
So gesehen haben wir es tatsächlich mit einem Psychokrieg zu tun. Nur verlaufen die Fronten ein wenig anders als vom Spiegel suggeriert. Der Plot erfüllt jedenfalls alle Kriterien einer veritablen Verschwö­rungstheorie: Da gibt es einen unsichtbaren, aber scheinbar omnipräsenten Feind; ein internationales Netzwerk, das seit Jahren nur damit beschäftigt ist, Drohvideos zu drehen oder Anschläge zu planen. Die Opfer sind stets unschuldig und potenziell wir alle. Und für jeden getöteten oder verhafteten Terro­risten tritt anscheinend gleich ein anderer an seine Stelle. Da helfen offenbar auch High-Tech-Drohnen und brunnenbohrende Bundeswehrsoldaten nicht mehr. Zumal der Feind nicht nur hinterhältig ist, son­dern auch über andere Tugenden verfügt.
Denn Terroristen sind nicht nur Mörder, sie sind auch sehr geduldig, wie uns bei Spiegel Online erklärt wird. Schließlich wird ebendiese Ge­duld „in jedem Standardwerk zur Ausbildung dschihadistischer Terro­risten als Kerntugend der Gotteskrieger herausgestellt.“ Aha. Nur lei­der vergisst der Autor in diesem Zusammenhang, wenigstens eines dieser „Standardwerke“ zu nennen. Aber darum geht es ja hier nicht. Die Logik ist wohl eine andere: Findet kein Anschlag statt, könnte eben morgen einer passieren. Oder übermorgen.
Nach den Paketbomben aus dem Jemen sind es diesmal wieder »echte« Terroristen, die auf dem Weg ins Abendland sind, um Tod und Verderben zu verbreiten. Angeb­lich sogar deutsche Staatbürger, die ab dem 22. November hier ihr Unwesen treiben werden. Sie seien in Terrorcamps ausgebildet worden und bereits wieder auf dem Weg zurück in die Heimat. Da macht es natürlich Sinn, wenn das BKA alle Visa-Anträge aus verdächtigen Ländern überprüft. Man darf ge­spannt sein, nach welchen Kriterien hier gefiltert wird.
Angesichts all der Aufregung bleibt man ein wenig ratlos zurück: Da hat es tatsächlich noch nie einen Terroranschlag in Deutschland mit islamistischem Hintergrund gegeben. Aber bei jeder Ankündigung eines Politikers, dies könne eventuell vielleicht einmal irgendwann passieren, zucken alle Medienvertre­ter reflexhaft zusammen. Und das Volk? Man kann nur hoffen, dass die routinierten Warnungen lang­sam aber sicher zu seiner Abstumpfung führen werden. De Maizière jedenfalls gibt sich kämpferisch: »Wir lassen uns durch den internationalen Terrorismus weder in unseren Lebensgewohnheiten noch in unserer freiheitlichen Lebenskultur einschränken.« Nein, durch den Terrorismus sicher nicht. Schon eher durch eine paranoide Sicherheitsmanie.
Axel Weipert (aus "Der Spiegelfechter")
Nicht wir, sondern dieser *zensiert* sollte Angst haben...
...oder wir, vor Al CIAda und vor der Person auf dem Bild?
Angst nicht, aber Verachtung und Misstrauen...

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