Freitag, 12. März 2010
Wer glaubt, dass Gott in den Alltag eingreift?
von Florian Rötzer, 12.03.2010, Telepolis
Ein Soziologe geht davon aus, dass Menschen schlicht deswegen religiösen Vorstellungen anhängen, weil sie permanent damit eingelullt werden und nicht weil sie arm oder ungebildet sind.
Religion ist das Opium des Volkes, Gott ist eine Projektion der Menschen, mit dem Glauben an ein allmächtiges, alles beobachtende und richtende Wesen, verbunden mit einem Leben nach dem Tod, halten die Menschen auch unter schlimmen Bedingungen ruhig und nehmen sie als Schicksal hin. Dagegen spannen auch die höchsten und reichsten Gesellschaftsschichten die Religion ein, um die Ungleichheit und ihre Macht als gottgegeben zu rechtfertigen.
So lauten einige Vorwürfe der bekannten Religionskritik, wobei Skeptiker, Atheisten und der wissenschaftlichen Aufklärung Verpflichtete vor allem nicht verstehen, wie Gläubige davon ausgehen können, dass Gott in das Alltagsleben eingreift und sich um das Leben der einzelnen Menschen kümmert. Davon aber sind viele Gläubige überzeugt. Der kanadische Soziologe Scott Schieman ist mit der Auswertung von zwei landesweiten Umfragen in den USA der Frage nachgegangen, ob sich die Menschen, die an einen persönlichen Gott glauben, der in der Alltag interveniert, näher charakterisieren lassen.
Bekanntlich sind die USA eine Art Gottesstaat (Der Gottesstaat im Westen), nur 15 Prozent bezeichnen sich als nicht religiös (Säkularere USA). Und auch wenn die Kirchenanhänger weniger werden, heißt dies noch nicht unbedingt, dass sie weniger religiös würden (In God's own Country breitet sich der Glaube an Geister aus). Mit weitem Abstand sind die US-Amerikaner religiöser als die Menschen in anderen Industriestaaten (In ganz Europa geht es seit Jahrzehnten mit der Religiosität bergab). Das zeigen auch die beiden Umfragen aus dem Jahr 2005, die Schieman für seine Studie ausgewertet hat, die in der Zeitschrift Sociology of Religion erschienen ist. So sind 82 Prozent der Meinung, dass sie sich auf Gott verlassen, um Hilfe oder Hinweise auf Entscheidungen zu erhalten. 71 Prozent glauben, dass die guten oder schlechten Dinge, die ihnen zustoßen, irgendwie zu einem Plan Gottes gehören, 61 Prozent sind sogar weitgehend dem Schicksal ergeben und sagen, Gotte habe die Richtung ihres Lebens festgelegt. Und 32 Prozent stimmen mit dieser Aussage überein: "Es macht keinen Sinn, groß zu planen, weil mein Schicksal letztlich doch in Gottes Hand liegt."
Bei den konservativen Protestanten oder Evangelikalen ist der Anteil derjenigen, die an göttliche Interventionen glauben, allgemein höher als bei den Katholiken, den normalen Protestanten, den Juden oder bei denen, die anderen Religionen oder keiner angehören. Frauen und Schwarze neigen auch eher dazu als Männer und Weiße. Nicht überraschend ist, dass diejenigen, die von der buchstäblichen Wahrheit der Bibel ausgehen, meist auch an das göttliche Wirken glauben – unabhängig, welcher Schicht sie angehören.
Erstaunlich viele Menschen leben also weit entfernt von Aufklärung und wissenschaftlichem Weltbild, sie glauben an Gottes Eingriffe und damit an Wunder oder daran, dass sie letztlich nur Marionetten in einem göttlichen Spiel sind. Eigenverantwortung ist nicht groß angesagt. Schieman schaute dann nach, welche sozialen Gruppen im Hinblick auf Einkommen oder Bildungsstand eher dem Glauben anhängen, dass Gott in das Leben eingreift. Das sei auch deswegen wichtig, weil in der US-Gesellschaft so viel von Gott die Rede sei und die Religion auch einen nicht unerheblichen Einfluss auf den politischen Diskurs habe.
Wie nicht anders zu erwarten, sinkt die Bereitschaft, dies zu glauben, mit der Höhe des Einkommens und dem Bildungsmaß. Allerdings nur bei denjenigen, die am Kirchenleben nicht teilnehmen. Wer regelmäßig Gottesdienste besucht, häufig betet und sich als religiös bezeichnet, glaubt, auch wenn er Großverdiener und Akademiker ist, in ähnlichem Ausmaß wie Geringverdiener und gering Ausgebildeten an das göttliche Wirken.
Schieman geht davon aus, dass seine Studie den allgemeinen Zusammenhang zwischen höherer Bildung und geringerem Glauben nicht durchweg bestätigt. Bildung alleine also führt nicht zum Abfall vom Glauben. Die "religiösen Erklärungen" werden bei all denjenigen, die ständig die Botschaften und Lehren bei seinen kirchlichen Betätigungen vernimmt, verstärkt, so der Soziologe, was wiederum auch bedeutet, dass die Ärmeren und Ungebildeteren sich mit der Religion nicht trösten, sondern sie in der Regel der kirchlichen "Indoktrination" eher oder öfter ausgesetzt sind.
Man könnte natürlich auch – wie der Streit auch beim behaupteten Zusammenhang von Medienkonsum und Gewalt verläuft – auch der Meinung sein, dass diejenigen, die religiös sind, nicht nur eher zu religiösen Aktivitäten hingezogen sind, sondern auch Einwände gegen religiöse Annahmen wie das kausale Einwirken Gottes in das Alltagsleben abwehren. Man baut dann zwischen dem Wissen und der Rationalität und dem Glauben eine Wand und kann dann einmal so und einmal anders entscheiden. Ähnlich wird ja oft auch vielfach gesagt, dass Wissenschaft und Rationalität den Glauben nicht ausschließen, sondern nebeneinander bestehen können, um die kognitive Dissonanz zu mildern.
Wäre die Theorie der Aussetzung an kirchliche Botschaften – in Analogie zur Aussetzung an Medien wie Computerspielen für ein bestimmtes Verhalten – wahr, woraufhin ja auch die Missionierungsanstrengungen verweisen, dann könnte eine aufgeklärte Gesellschaft entstehen, wenn die Kirchen abgeschafft werden oder die Kinder vor und in der Schule nicht mit dem religiösen Weltbild "massiert" werden. Das ist zwar in den kommunistischen Gesellschaften weitgehend der Fall gewesen, aber die Kirchen wurden dann u.a. auch als unterdrückte oder verbotene Instanzen zumindest teilweise wieder "interessant". Die Verbreitung des Glaubens ist trotzdem in den ehemaligen europäischen Ostblockstaaten immer noch, abgesehen von Polen, ziemlich gering.
Ein Soziologe geht davon aus, dass Menschen schlicht deswegen religiösen Vorstellungen anhängen, weil sie permanent damit eingelullt werden und nicht weil sie arm oder ungebildet sind.
Religion ist das Opium des Volkes, Gott ist eine Projektion der Menschen, mit dem Glauben an ein allmächtiges, alles beobachtende und richtende Wesen, verbunden mit einem Leben nach dem Tod, halten die Menschen auch unter schlimmen Bedingungen ruhig und nehmen sie als Schicksal hin. Dagegen spannen auch die höchsten und reichsten Gesellschaftsschichten die Religion ein, um die Ungleichheit und ihre Macht als gottgegeben zu rechtfertigen.
So lauten einige Vorwürfe der bekannten Religionskritik, wobei Skeptiker, Atheisten und der wissenschaftlichen Aufklärung Verpflichtete vor allem nicht verstehen, wie Gläubige davon ausgehen können, dass Gott in das Alltagsleben eingreift und sich um das Leben der einzelnen Menschen kümmert. Davon aber sind viele Gläubige überzeugt. Der kanadische Soziologe Scott Schieman ist mit der Auswertung von zwei landesweiten Umfragen in den USA der Frage nachgegangen, ob sich die Menschen, die an einen persönlichen Gott glauben, der in der Alltag interveniert, näher charakterisieren lassen.
Bekanntlich sind die USA eine Art Gottesstaat (Der Gottesstaat im Westen), nur 15 Prozent bezeichnen sich als nicht religiös (Säkularere USA). Und auch wenn die Kirchenanhänger weniger werden, heißt dies noch nicht unbedingt, dass sie weniger religiös würden (In God's own Country breitet sich der Glaube an Geister aus). Mit weitem Abstand sind die US-Amerikaner religiöser als die Menschen in anderen Industriestaaten (In ganz Europa geht es seit Jahrzehnten mit der Religiosität bergab). Das zeigen auch die beiden Umfragen aus dem Jahr 2005, die Schieman für seine Studie ausgewertet hat, die in der Zeitschrift Sociology of Religion erschienen ist. So sind 82 Prozent der Meinung, dass sie sich auf Gott verlassen, um Hilfe oder Hinweise auf Entscheidungen zu erhalten. 71 Prozent glauben, dass die guten oder schlechten Dinge, die ihnen zustoßen, irgendwie zu einem Plan Gottes gehören, 61 Prozent sind sogar weitgehend dem Schicksal ergeben und sagen, Gotte habe die Richtung ihres Lebens festgelegt. Und 32 Prozent stimmen mit dieser Aussage überein: "Es macht keinen Sinn, groß zu planen, weil mein Schicksal letztlich doch in Gottes Hand liegt."
Bei den konservativen Protestanten oder Evangelikalen ist der Anteil derjenigen, die an göttliche Interventionen glauben, allgemein höher als bei den Katholiken, den normalen Protestanten, den Juden oder bei denen, die anderen Religionen oder keiner angehören. Frauen und Schwarze neigen auch eher dazu als Männer und Weiße. Nicht überraschend ist, dass diejenigen, die von der buchstäblichen Wahrheit der Bibel ausgehen, meist auch an das göttliche Wirken glauben – unabhängig, welcher Schicht sie angehören.
Erstaunlich viele Menschen leben also weit entfernt von Aufklärung und wissenschaftlichem Weltbild, sie glauben an Gottes Eingriffe und damit an Wunder oder daran, dass sie letztlich nur Marionetten in einem göttlichen Spiel sind. Eigenverantwortung ist nicht groß angesagt. Schieman schaute dann nach, welche sozialen Gruppen im Hinblick auf Einkommen oder Bildungsstand eher dem Glauben anhängen, dass Gott in das Leben eingreift. Das sei auch deswegen wichtig, weil in der US-Gesellschaft so viel von Gott die Rede sei und die Religion auch einen nicht unerheblichen Einfluss auf den politischen Diskurs habe.
Wie nicht anders zu erwarten, sinkt die Bereitschaft, dies zu glauben, mit der Höhe des Einkommens und dem Bildungsmaß. Allerdings nur bei denjenigen, die am Kirchenleben nicht teilnehmen. Wer regelmäßig Gottesdienste besucht, häufig betet und sich als religiös bezeichnet, glaubt, auch wenn er Großverdiener und Akademiker ist, in ähnlichem Ausmaß wie Geringverdiener und gering Ausgebildeten an das göttliche Wirken.
Schieman geht davon aus, dass seine Studie den allgemeinen Zusammenhang zwischen höherer Bildung und geringerem Glauben nicht durchweg bestätigt. Bildung alleine also führt nicht zum Abfall vom Glauben. Die "religiösen Erklärungen" werden bei all denjenigen, die ständig die Botschaften und Lehren bei seinen kirchlichen Betätigungen vernimmt, verstärkt, so der Soziologe, was wiederum auch bedeutet, dass die Ärmeren und Ungebildeteren sich mit der Religion nicht trösten, sondern sie in der Regel der kirchlichen "Indoktrination" eher oder öfter ausgesetzt sind.
Man könnte natürlich auch – wie der Streit auch beim behaupteten Zusammenhang von Medienkonsum und Gewalt verläuft – auch der Meinung sein, dass diejenigen, die religiös sind, nicht nur eher zu religiösen Aktivitäten hingezogen sind, sondern auch Einwände gegen religiöse Annahmen wie das kausale Einwirken Gottes in das Alltagsleben abwehren. Man baut dann zwischen dem Wissen und der Rationalität und dem Glauben eine Wand und kann dann einmal so und einmal anders entscheiden. Ähnlich wird ja oft auch vielfach gesagt, dass Wissenschaft und Rationalität den Glauben nicht ausschließen, sondern nebeneinander bestehen können, um die kognitive Dissonanz zu mildern.
Wäre die Theorie der Aussetzung an kirchliche Botschaften – in Analogie zur Aussetzung an Medien wie Computerspielen für ein bestimmtes Verhalten – wahr, woraufhin ja auch die Missionierungsanstrengungen verweisen, dann könnte eine aufgeklärte Gesellschaft entstehen, wenn die Kirchen abgeschafft werden oder die Kinder vor und in der Schule nicht mit dem religiösen Weltbild "massiert" werden. Das ist zwar in den kommunistischen Gesellschaften weitgehend der Fall gewesen, aber die Kirchen wurden dann u.a. auch als unterdrückte oder verbotene Instanzen zumindest teilweise wieder "interessant". Die Verbreitung des Glaubens ist trotzdem in den ehemaligen europäischen Ostblockstaaten immer noch, abgesehen von Polen, ziemlich gering.
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