Mittwoch, 17. März 2010

Was spielt sich in Nigeria ab?

Wie unterschiedlich Pressemeldungen sein können, konnte man dieser Tage sehr schön am Beispiel der Berichterstattung über Nigeria feststellen.
Während das prokapitalistische Handelsblatt den Fokus auf Pogrome zwischen Muslime und Christen richtete, berichtete die prosozialistische Junge Welt u.a. über Korruption und Ausbeutung.
Was spielt sich nun wirklich ab?
Dazu hatte ich in der Nacht zum Montag, wenn auch kein repräsentatives, doch ein interessantes Gespräch mit einem Taxifahrer. Es handelte sich bei diesem Taxifahrer um einen Schwarzafrikaner. Und zwar um einen, der politisch nicht unbewandert erschien. Als der Taxifahrer und ich anfangs "small talk" hielten und ich ein paar politische Vorlagen einbaute, stellte ich schnell fest, dass dieser Afrikaner diese Vorlagen zu nutzen suchte, um sie in Treffer umzuwandeln. Das gelang ihm. Was nützt es, einen Menschen zu befragen, der einem dabei nur auf's Maul schaut, um zu wissen, was er zu sagen hat? Ich wollte eine fachkundige Meinung hören und keine (womöglich noch geheuchelte) Selbstbestätigung erfahren und auch kein Gefälligkeitsgeschwafel eines Dienstleisters vernehmen.
Als ich dem Afrikaner den Handelsblatt- Bericht und den Junge Welt- Bericht erläuterte und ihm daraufhin die  Frage stellte, welche von beiden Zeitungen seiner Ansicht nach der Wahrheit näher kommen würde, benötigte er keiner bemerkenswerten Überlegungszeit, um sich folgend zu äußern:
"Die Junge Welt hat Recht."

Die Meinung des Afrikaners ist eine Einzelmeinung? Ja, ebenso wie die Meinung vom Verfasser des Handelsblattartikels eine Einzelmeinung darstellt. Nur weil diese den derzeit gängigen politisch korrekten Klischees der Propagandamaschinerie entspricht und über die Auflagenstärke tausendfach kopiert erscheint, bleibt sie doch eine Einzelmeinung. Steht etwa "Political correctness" als Zauberwort für die Richtigkeit und Glaubwürdigkeit einer Aussage?
Auf den gesichtslosen Massemenschen hat das seine Wirkung. Das wissen die Macher von Propaganda. Deshalb funktioniert Propaganda, weil die Psychologie des Menschen dahingehend ausreichend erforscht ist.
Die Meinung des Afrikaners lässt sich nicht überprüfen? Lässt bzw. wird alles überprüft, was aus den Tickern der Nachrichtenschleudern in die Redaktionsstuben dringt? Mitnichten, Kritik ist ein Fremdwort in den Kopierstuben der Meinungsindustrie. Und nur, weil die Einzelmeinung des Zeitungsschreibers den Segen eines Redakteurs erhalten hat, wird diese dadurch auch nicht wahrhaftiger. Wer weiß, vielleicht regierte sogar erst der Rotstift des Redakteurs, bevor es dessen Segen gab?
Ich glaube in dieser Sache jedenfalls dem Afrikaner und somit der Jungen Welt.

Das Handelsblatt stammt aus dem Hause Dieter von Holtzbrinck Medien und kooperiert seit elf Jahren mit Dow Jones & Company, einem Tochterunternehmen von Murdoch's  News Corporation.
Der Afrikaner ist Taxifahrer und die Junge Welt eine Genossenschaft.
Wer von denen hat ein Interesse daran, uns einen Bären aufzubinden bzw. hat uns in der Vergangenheit Bären aufbinden wollen? Das hat allerdings etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun...

3 Kommentare:

  1. @Was spielt sich nun wirklich ab?

    Da ich nicht dort war, weiß ich es nicht aus erster Hand.
    Aber ist Ihnen schon einmal der Gedanke gekommen, daß beides stattfinden könnte?
    Auf der einen Seite ist es nicht ungewöhnlich, daß Ungläubige heutzutage im Land der Rechtgläubigen einen - sagen wir - schweren Stand haben, der gelegentlich mit dem Tode endet.
    Auf der anderen Seite geht es auch da wohl um Rohstoffe, Geld und Macht.

    Möglicherweise treffen sich hier verschiedene Interessen zu beiderseitigem "Vorteil" - so sieht es jedenfalls jede der beiden Parteien.
    mfg zdago

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  2. @zdago
    Zunächst einmal Danke für ihre kritische Anmerkung.
    Selbstverständlich findet von "beidem" etwas statt. Auf die Gewichtung kommt es an oder wie ich es in meinem Text schrieb, auf den Fokus (=Brennpunkt, Gesichtspunkt).
    Der Artikel des Handelsblatt versucht den Fokus auf eine Nebensache zu richten; führt also zwangsläufig in die Irre. Die Junge Welt geht in ihrer Betrachtung tiefgründiger heran und erreicht dadurch zwangsläufig eine wahrhaftigere Sicht der Problematik.
    Ebenso gut hätte das Handelsblatt von völkischen (rassischen) Unruhen schreiben können. Auch das hätte von den WIRKlichen Ursachen abgelenkt.
    Übrigens hatte ich beide Artikel verlinkt und der Propagandabegriff "Nebelkerze" trifft aus meiner Sicht auf den Artikel im Handelsblatt zu. Er dient lediglich dazu, die wahren Zusammenhänge zu vernebeln, also unkenntlich zu machen.

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  3. Bei der Nebelkerze stimme ich Ihnen zu - von beiden Seiten.
    Dadurch, daß sie jeweils nur die halbe Wahrheit bringen, erzählen sie eine ganze Lüge - und der Leser ist letztendlich uninformiert!
    mfg zdago

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