Dienstag, 20. Februar 2024

Angriff auf die Grundfesten der Demokratie

 

Warum sägen sie am Fundament der deutschen Sprache, obwohl drei Viertel der Menschen das nicht wollen? Warum lassen sie Hunderttausende Migranten ins Land, obwohl schon jetzt die Landräte verzweifeln, weil Wohnungen, Schulen und Kindergärten fehlen? Warum schmeißen sie so lange mit dem Wort Nazi um sich, bis sich niemand mehr davon getroffen fühlt?
Es wurde über all diese Fragen viel Vernünftiges geschrieben und gesprochen, ohne Erfolg, sodass ich es für überflüssig hielt, meine Meinung noch hinzuzufügen. Bis jetzt, bis zu Nancy Faesers geplantem Anschlag auf den Rechtsstaat.
Den Anlass bietet ihr das zu einer Wannseekonferenz skandalisierte Treffen einiger rechter Personen, darunter auch Mitglieder der AfD, denen der Identitäre Martin Sellner sein Buch über die mögliche Remigration unberechtigter und krimineller Migranten vorstellte.
Dem ursprünglich sachlichen Begriff „Remigration“ wird das Wort Deportation untergejubelt, „Remigration“ wird nachträglich zum Unwort des Jahres 2023 erklärt, die Machtübernahme der AfD, also der Nachfahren Hitlers in Faesers Augen, wird an die Wand gemalt, und Millionen Menschen versammeln sich empört auf Deutschlands Straßen, um mit ihrer Regierung an der Spitze gegen „Rechts“ zu kämpfen.
Und Nancy Faeser, die es nach ihrer grandiosen Wahlniederlage in Hessen vorzog, Ministerin in Berlin zu bleiben, ergriff die Chance, ihren „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ aus dem Jahr 2022 zu dem Maßnahmenpaket „Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen“ zu verschärfen.
Das Vorhaben präsentierte sie gemeinsam mit dem Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang, dessen Aufgabe es ist, wie sein Titel besagt, die Verfassung zu schützen, in deren Artikel 5 es heißt: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.
Denn sowohl die Missachtung der Verfassung, als auch die Beugung des Rechtsstaats lassen die Pläne von Frau Faeser befürchten.
So verkündete sie auf der Pressekonferenz: „Ich möchte rechtsextremistische Netzwerke genauso behandeln wie Gruppierungen der Organisierten Kriminalität.“
Zu den Rechtsextremisten gehören für Nancy Faeser ausnahmslos alle Teilnehmer der Potsdamer Veranstaltung, erhebliche Teile der AfD, auch die sogenannte Neue Rechte, von der niemand genau weiß, wer oder was dazu gehören soll.
Konten von rechtsextremistischen Verdächtigen dürfen nach Spenden an rechtsextremistisch verdächtige Vereinigungen und Publikationen ausspioniert werden. Wer also der AfD spendet, einer immerhin legalen Partei, ist schon so verdächtig wie ein Mitglied des Abou-Chaker-Clans.
„Wir wollen rechtsextremistische Netzwerke zerschlagen, ihnen ihre Einnahmen entziehen und ihre Waffen“, sagt Nancy Faeser.
Und Thomas Haldenwang erklärt, nicht nur auf die Gewaltbereitschaft komme es an, sondern auch auf „verbale und mentale Grenzverschiebungen“, nicht strafrechtliche Relevanz sei entscheidend, sondern die Staatswohlgefährdung reiche aus, um in Faesers Kampflinie zu geraten.
Nicht auf die Tat soll es in Zukunft ankommen, sondern auf das „Potenzial zur Tat“. Und wem sich die schwammigen Begriffe wie „mentale Grenzverschiebung“ und „Staatswohlgefährdung“ andichten lassen, entscheiden Haldenwang und seine Chefin Nancy Faeser, die offenbar glauben, so die AfD-Anhänger zu verschrecken.
Es ist gleichgültig, ob man die AfD wählt oder sie verabscheut. Sie ist eine legale Partei, in fast allen Landesparlamenten und im Bundestag vertreten, die laut Umfragen 20 Prozent der Bürger wählen wollen, im Osten ein Drittel aller Wähler.
Die Meinung dieser Menschen zu kriminalisieren, kann nicht im Sinn des Grundgesetzes sein. Es ist die Delegitimierung der Bürger, die der Erfinder der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ und seine Ministerin hier propagieren.
Man bekämpft die Unzufriedenheit seiner Wähler nicht, indem man sie bespitzelt und drangsaliert, und man ändert Meinungen nicht, indem man sie verbietet, auch nicht, indem man zu Hunderttausenden gegen „Rechts“ demonstriert und behauptet „Wir sind mehr“, obwohl Dreiviertel der Bürger mit der Regierung unzufrieden sind.
Als ich die Offenbarungen von Nancy Faeser gelesen habe, war ich fassungslos. Eine Innenministerin, die Demokratie und Rechtsstaat im Munde und dabei ad absurdum führt, die Bürgerrechte offenbar für eine Verfügungsmasse hält, die sie nach Belieben kneten kann?
Ich stellte mir vor, wonach sie in ihrer Maßlosigkeit noch greifen könnte, nach alternativen Publikationen und Blogs, nach Gesprächs- und Lesekreisen, hinter denen sie verdächtiges Gedankengut (auch so ein Wort) wittert, und auf die sie die schon existierenden und mit dem „Demokratiefördergesetz“ noch zu gründenden NGOs ansetzen könnte, denen man sowieso das N streichen sollte, weil sie von der Regierung bezahlt werden.
Und ich fragte mich, ob Nancy Faeser nicht daran gedacht hat, dass ihre Gesetze, falls die nicht in ihrem Sinne wirkten, sondern der AfD erst recht Zulauf und den Wahlsieg bescheren könnten, dass ihre Gesetze dann aber in der Welt wären und sich gegen alles richten könnten, was sie zu verteidigen glaubte.
Der Rechtsstaat ist die Garantie für die Demokratie. Man kann die Demokratie nicht verteidigen, indem man am Rechtsstaat rüttelt.
Monika Maron in DIEWELT vom 19. 2. 24

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