Mittwoch, 25. November 2009

Billiger Wohnraum?

Die JW brachte einen Artikel des Hamburger Mirko Knoche mit dem Titel Billiger Wohnraum.
Herr Knoche kennt wohl nicht die Bedeutung des Ausdrucks billig und dies im Zusammenhang mit dem Arbeitsaufwand betrachtet, der abzuleisten ist, um selbst eine schnöde Klitsche mieten zu können.
Knoche, zwischen günstig und billig besteht ein Unterschied. Doch selbst der Begriff günstiger Wohnraum ist ein relativer Begriff. Wenn ein gesamter Monatsnettolohn hinzulegen ist, dann ist diese Relation schlichtweg erdrückend. Denn eine familienfreundliche Wohnung für vier Personen gibt es nicht darunter anzumieten.


Weiter im Text. Im Mietenspiegel lautet es:
Zwei Dritteln normaler Wohnlage stünde ein Drittel guter gegenüber.
Böööse, aber kenntnisreiche Zungen könnten meinen, unter normaler Wohnlage bezeichnet man in Hamburg neuerdings die zahlreichen Ghettos und ghettoähnlichen Gegenden. Die gute Wohnlage sind dann Viertel wie Volksdorf, Hummelsbüttel oder Blankenese. Wie sagte es Georg Schramm in der aktuellen Sendung Neues aus der Anstalt? Früher diente Sprache zur Verständigung, heute zum Verschleiern... Oder sehen es Politiker wie die Hajduk als Normalzustand an, dass es in der Stadt die zahlreichen Ghettos gibt? Es ist zwar schandhaft, aber doch richtig. Die Ghettos sind bereits zur Normalität geworden, sie sind der (Über-)Durchschnitt in der Stadt (zwei Drittel).
Neuvermietungen unter zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter bildeten mittlerweile die Ausnahme, behauptete Mietervertreter Chychla.
Da hat der gute Mann recht. Wer es nicht glaubt, kann sich probehalber unter Immobilienscout24.de anmelden und Angebote anfordern. Was unter zehn T€uro liegt, ist meist nicht vermittelbar, weil unbewohnbar.
Die echte Wohnungsnot betreffe die »Ärmsten der Armen«, weil billiger Wohnraum immer seltener würde, so Chychla.
Herr Chychla, die Wohnungsnot trifft vor allem diejenigen, die für ihre Miete selbst aufkommen müssen. Ich weiss nicht, wie realitätsnah und lebenserfahren sie wirklich sind, aber eines weiss ich. Um eine (relativ günstige) Wohnung überhaupt zu ergattern, werden schon mal einige T€uronen berappt, die sich dann der nette GWG- Verwalter oder die nette SAGA- Sachbearbeiterin als Schmiermittel einverleibt. Mit dem Unterschied, dass die weiteren Wohnungskosten (Mieten) für die Einen der Steuerzahler trägt und die Anderen ihre Kosten selbst zu tragen haben. Unter'm Strich bleibt da manchmal nicht viel mehr zur freien Verfügung über und das, obwohl Letztere ihre vierzig Stunden pro Woche anschaffen gehen. Ich hoffe, ich täusche mich, Herr Chychla. Doch meinten sie mit den Ärmsten der Armen bestimmt einen Großteil der Ghettobewohner in Hamburg. Stichwort Hartz IV. Herr Chychla, mittlerweile arbeiten in der BRD 6,5 Millionen im sog. Niedriglohnbereich. Es gab Zeiten, da nannte man sie Tagelöhner und Knechte. Diese Zeiten sind noch gar nicht so lange her. Man kann diese Leute auch als Lohndrücker o.ä. bezeichnen, doch eines zeichnet sie aus und das ist ihr erkennbarer Wille für den eigenen Lebensunterhalt aufkommen zu wollen. Diese Leute gehören anständig bezahlt. Anständig heißt, daß sie ohne staatliche Almosen ihre Lebenskosten bestreiten können und darüberhinaus noch Geld übrig haben, um es in den Sparstrumpf stecken zu können. Alles, was darunter angesiedelt ist, sollte sowieso nicht als Arbeit bezeichnet werden dürfen. Oft habe ich mich gefragt, weshalb die Diskussion sich fast nur auf die Hartz IVer bezieht? Eine unterschiedslose Auseinandersetzung, die nicht zur Klärung der Fronten führt. Warum wird diese Diskussion nicht um die sog. Niedriglöhner geführt? Die Sarrazine hätten es als Marionetten des Kapitals weitaus schwieriger, ihre diffamierende Polemik ins Volk zu tragen. Aber auch die Gegenseite (Parteiauftrag: Hauptsache dagegen!) würde entscheidende Verluste hinnehmen müssen, da die Vergöttlichung jedes einzelnen Hartz IVers, die Unnahbarkeit und angetextete Rechtschaffenheit (der zum nicht unerheblichen Teil) Betroffenen in ein wesentlich realistischeres Bild gerückt werden müsste. Wo liegen unsere Maßstäb? Wer besitzt die Definitionshoheit? Erst dann kann fruchtbar verhandelt und ge- (er-)stritten werden. Die Natur tendiert immerzu zum Gleichgewicht. Und auch der Mensch, möchte er wahre Wertigkeiten erschaffen, kann sich dem nicht entziehen.

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