Die Headlines der letzten Tage überschlugen sich in der Vorbereitung des heutigen D-Days:
Mittwoch, 14. April 2021
Kein Grund zur Panik
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Ist die Panikmache gerechtfertigt ? Wir schauen uns dazu die aktuellen ITS-Fallzahlen und Belegung an:
Die Gesamtbelegung Intensiv in Deutschland lag am 01.07.2020 bei 21.273 Patienten, am 31.12.2020 bei 21.286 Patienten und am 10.04.21 bei 20.586 Patienten. Nein, ich habe mich nicht vertippt. Die Belegung lag über diese 9 Monate recht stabil bei ca. 21.500 Betten und die Fallzahlen schwankten relativ gleichmäßig um diesen Mittelwert.
Am 10.04. setzte sich diese Fallzahl übrigens aus 4.532 Patienten (22%) mit positivem Corona-Teststatus und 16.054 (78%) ohne positiven Teststatus zusammen. Dieses Fallaufkommen verteilt sich auf ca. 1.280 Standorte. Pro meldendem Standort liegen also im Schnitt 3,5 Patienten mit positivem PCR-Test auf intensiv (also mit und ohne invasive Beatmung). Also nicht pro Zimmer, Abteilung oder Stockwerk. Nein - Im ganzen Haus.
Die High Care Betten sind die relevanten im Kontext von Covid-19, sie ermöglichen eine invasive Beatmung. Hier ist die Situation die, dass aktuell ca. 10.000 Betten zur Verfügung stehen, davon sind ca. 2.500 mit "Corona-Patienten" belegt (ca. 25%), rund 5.300 mit "Nicht-Corona-Patienten", insgesamt also 7.800 belegt und ca. 2.200 sind frei. Pro meldendem Krankenhaus sind das aktuell also ganze 2,0 beatmete „Corona-Patienten“.
Die Belegungsquote liegt somit aktuell insgesamt bei ca. 78%.
Noch gar nicht berücksichtigt ist die Notfallreserve, das sind nochmals (recht stabile) 10.400 Betten insgesamt die sich lt. DIVI binnen 7 Tagen aktivieren lassen. Von dieser Notfallreserve spricht irgendwie keiner. Wäre es jetzt nicht an der Zeit, diese Reserve ins Auge zu fassen, anstelle mit Brachialgewalt das Leben in diesem Land stilllegen zu wollen?
Die Auslastung ist eine Angabe in Prozent. Der Zähler stellt dabei die belegten Betten, der Nenner die freien Betten. Insgesamt sieht das Bild nicht bedrohlich aus. Wir liegen aktuell bei ca. 87% im gesamten Intensivbereich, die high care betten sind indes nur 78% ausgelastet.
Ach, und weil seit einigen Wochen vermehrt ECMO-Patienten im ÖR gezeigt werden: hier liegt die Auslastung bei 58%. Hier handelt es sich übrigens um ganze 400 Fälle in Deutschland.
Wie kann es aber sein, dass aktuell „nur“ rund 4.500 Corona Patienten auf intensiv sind, zum Jahreswechsel aber knapp 6.000 (=1/3) mehr Corona-Patienten versorgt wurden und wir jetzt dennoch eine höhere Auslastung haben als im Januar 2021 und ein entsprechendr Aufschrei durch den Blätterwald geht?
Hierüber wird in den Sozialen Medien viel spekuliert. Selbst die kluge Frau Wagenknecht hat diese Frage nicht zu beantworten vermocht. In diesem Chart 4 findet ihr einen großen Teil der Erklärung:
Es handelt sich um zwei administrativ-statistische Effekte. Sorry schon mal jetzt, dass es recht trocken wird.
Einerseits wurde der Personalschlüssel verschärft (das sollte schon Anfang 2020 aufgrund der neuen Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) geschehen).
Diese Verschärfung hat das BMG im Zuge der „1. Welle“ aus- und zum 01.08.2020 wieder in Kraft gesetzt. Dies erklärt den Rückgang zum 01.08.2020 um ca. 3.300 Betten (ca. 10% der verfügbaren Betten) 
Natürlich sind die Betten und das Pflegepersonal noch in den Kliniken, es wurden keine Betten „abgebaut“. ITS Betten dürfen aber grundsätzlich an das DIVI-Intensivregister nur dann gemeldet werden, wenn der vorgeschriebene Pflegeschlüssel erfüllt wird.
Freilich wird in der Praxis kein Patient abgewiesen, wenn ein freies Bett physisch vorhanden ist, lediglich aber nicht mehr in der DIVI-Statistik auftaucht.
Der zweite statistische „Eingriff“ geschah im März 2021, als die DIVI zum Monatswechsel beschloss, in Zukunft keine Kinderintensivbetten mehr in der Statistik zu führen. Also weder in den Belegungen (in der Praxis kaum vorhanden, da Covid-19 bei jungen Menschen so gut wie nie schwere Verläufe zeitigt) noch in den freien Kapazitäten. Somit sind weitere ca. 2.810 Betten (bzw. 10% des Bestandes) aus der Statistik entfallen.
Jeder normal mathematisch begabte Mensch hätte nun einfach auch die historischen Zahlen bereinigt, damit man Äpfel mit Äpfeln vergleichen kann, nicht aber die DIVI. Dort sind einfach von einem auf den anderen Tag die Betten statistisch verschwunden. Sie sind natürlich immer noch vor Ort.
Man kann jetzt nicht sagen, die DIVI hätte nicht darauf hingewiesen, aber vielleicht hatten die meisten Journalisten einfach keine Zeit, das Kleingedruckte zu lesen.
Quelle: Seite 2 der DIVI Tagesreports, beispielhaft von diesem hier: https://www.divi.de/.../DIVI-Intensivregister_Tagesreport...
Es sind jedenfalls seit 9 Monaten insgesamt mehr Betten "verschwunden" als wir aktuell Corona-Intensivpatienten haben. Das wäre m.E. durchaus eine öffentlich rechtliche Tiefenrecherche wert. Aber was sage ich da. 
Allein im März sind ca. 2.810 Betten aus der Zählung gefallen.
Es sei denn, man sucht in der Politik Argumente für den Bundeslockdown, dann kommen einem diese statistischen Verzerrungen gerade recht....
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Dies spricht dafür, dass das Hauptinfektionsgeschehen nun, anders als zum Jahreswechsel, in weniger vulnerablen Altersgruppen stattfindet bzw. es sich um im Schnitt mildere Verläufe handeln muss. Ferner werden wohl mehr „Infektionen“ durch Testungen sichtbar gemacht, die symptomlos sind bzw. milde verlaufen und die ansonsten gar nicht aufgefallen wären.
Die Inzidenzen steigen stark in den jüngeren Alterskohorten, was unkritisch zu bewerten ist. Weiterhin sichtbar ist, dass Kinder keine Pandemietreiber sind. Diese befanden sich stets im unteren Mittelfeld des Infektionsgeschehens..
Hier ist sehr gut zu sehen, dass die verletzlichen Altersgruppen
anders als zum Jahreswechsel nun tatsächlich entweder besser geschützt, immun oder geimpft sind, ihr Schutz also mittlerweile gut funktioniert, was für sich genommen den stärksten Beitrag zum rückäufigen Sterbefallgeschehen leistet.
Eigentlich wäre das eine große, positive Headline wert. Warum haben aber die Medien scheinbar kein Interesse an guten Nachrichten?
Jetzt wird es interessant: Man sieht bei insgesamt (bis auf die Osterwoche) stabilem PCR-Testgeschehen einen zuletzt stark gestiegenen Positivenanteil. Dieser ist nicht leicht zu interpretieren, weil dafür notwendige zusätzliche Daten fehlen. Meine Hypothese ist, dass sich hier nicht ein zunehmendes Infektionsgeschehen, sondern ein stark gestiegenes Testgeschehen manifestiert, nämlich durch die deutlich ausgeweitete „Vortestung“ durch Selbst- und Schnelltests. Positive Schnelltests führen nämlich zwingend immer zu einer PCR-Nachtestung.
Die Vortests sind allerdings in der RKI-Statistik nicht erfasst, dort werden nur die PCR-Tests gezeigt. Auf Pressefrage von TE hin, teilte das RKI mit, dass es die Zahl nicht kenne.
Dass die Tests in die Millionen gehen, ist daran abzulesen, dass inzwischen die Discounter LIDL und Aldi große Verkaufsaktionen durchgeführt haben und mehr als 2/3 aller Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer Testangebote vorhalten. Das BMG hat sich fast 800 Millionen (!) Tests für 2021 gesichert.
Somit muss sich zwangsläufig die Positivquote erhöhen, ohne dass dies irgendetwas über das Infektionsgeschehen aussagt. Die einzig zulässige Aussage ist, dass hier das Dunkelfeld besser ausgeleuchtet wird (den Aspekt der falsch Positiven lasse ich hier mal außen vor).
Ich persönlich erwarte nochmals eine deutliche Steigerung der Testpositivenquote, wenn die Testungen so flächendeckend ausgeweitet werden, wie es die Bundesregierung vorhat.
Bestätigt wird meine Hypothese auch durch den kurzfristigen Rückgang über die Osterfeiertage. Hier hat das geringere Testgeschehen die Inzidenzen abgesenkt. Die Wiederaufnahme der Tests hat die Inzidenzen nun wieder nach oben katapultiert. Der unten verlinkte Youtube Beitrag der WELT zeigt, wie man möglichst unseriös mit den daher im Vergleich zur Vorwoche steigenden Infektionsraten umgeht.
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p.s. wie immer gilt: Für Korrekturhinweise und Ergänzungen bin ich dankbar. 
p.p.s. sorry, dass das dieses Mal so langatmig geworden ist. Es gab so viel zu besprechen. 
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Quellennachweis für o.g. Headlines:
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