Ein paar Gedanken zu Halloween.
Heute, zu diesem fast frühlingshaft-warmen Samhain/Halloween-Abend scheint es, als hätte sich, nach Corona und Ukraine, mit diesem simplen Festtagsthema justament eine weitere Streit- und Spaltungsfront hier auf FB eröffnet. Es macht, ehrlich gesagt, mittlerweile immer weniger Freunde, dieses Medium überhaupt noch zu öffnen.
Da ich seit gestern dermaßen viel überwiegend Dogmatisches, Borniertes, Fundamentalistisches sowie schlicht Falsches zu diesem alten Fest las, möchte ich nun doch noch ein paar Fakten plus eigene Erfahrungen beisteuern und dazu Teile meines diesbezüglichen Textes von vor einem Jahr mit einfließen lassen.
Das farbige Laub fällt nun überall von den schwarzgrauen Zweigen, feuerrot säumen die Hagebuttenbüsche die Wegränder. Der Tau in den Wiesen hält sich nun bereits über den gesamten Tag. Bald wird der erste, frühmorgendliche Eishauch sein weißes Laken über das Land legen. Nun ist er hier, der alte, archaische Beginn der dunklen Jahreszeit. Heute ist Samhain, inzwischen auch hierzulande „Halloween“ genannt. Mit seinen prähistorischen Wurzeln, insbesondere in den uralten Traditionen Irlands ist dieses Fest seit Jahrtausenden ein unauslöschliches Datum. Samhain (ausgesprochen "Saow-when") markiert das Ende der Ernte und den Beginn des Winters. Das altirische Wort bedeutet „Sommers Ende“.
Die Kelten des alten Irlands teilten das Jahr in eine helle (beginnend zu Beltane am 1. Mai) und eine dunkle Hälfte (beginnend am heutigen Samhain). Eine Reihe uralter Kultstätten, von denen einige bereits vor über 5.000 Jahren erbaut wurden, sind auf den Sonnenauf- oder Untergang zu Samhain ausgerichtet. Samhain ist das Fest der Ehrung der Toten, der „Anderswelt“, der Rückschau und der Besinnung auf die Vergänglichkeit, wenn man so will.
In der Mitte des 8. Jahrhunderts verschob Papst Gregor III. das Datum von "Allerheiligen" vom 13. Mai (übrigens dem Datum des römischen Totenfestes) auf den 1. November - und ließ es zeitgleich mit dem Fest von Samhain setzen. Die alten Traditionen waren so tief verwurzelt, daß auch die neue, eifernde Kirche und Religion sie nicht auslöschen konnte. Die Nacht vor "All Hallows Day" wurde dann als "All Hallows Eve" bekannt, was wiederum zu "Halloween" verkürzt wurde. Dies ist der Name, den wir heute noch kennen.
Gerade jene, die gerade verbissen proklamieren: „Halloween verdrängt christliche Feste!“ sollten darüber vielleicht noch einmal nachdenken.
Und wie steht’s um die Leckereien und Verkleidung? Traditionell wurde zu Samhain ein süßer Obstkuchen mit dem Namen „Barm Brack“ serviert, in dem symbolische Gegenstände versteckt waren."Mummen" oder Verkleiden war zudem ein beliebter Brauch. Menschen, insbesondere Kinder, zogen sich Kostüme an und schwärzten sich mit dem Ruß der Herdfeuer ihre Gesichter, um die Toten nachzuahmen und um Schutz vor den übernatürlichen Kräften zu erlangen, die sie während Samhain auf freiem Fuß glaubten.
In Irland bastelte man einst Laternen aus Rüben - und nannte sie „Jack-o-Lantern“ - eine Tradition, die mit der Auswanderungswelle während der irischen Kartoffelpest 1847 nach Amerika kam und sich dort schließlich mit dem Kürbis-Substitut verselbständigte. In jener veränderten und extrem kommerzialisierten Form schwappte Halloween dann letztlich zu uns zurück.
Nun kann man all das blöd, lustig, "amerikanisiert" oder schlicht interessant finden. Ich selbst habe mich all die Zeit, in der ich, nach meinen vielen Irland-Jahren, wieder hier in Deutschland wohne, entspannt für letzteres entschieden; wenngleich ich den Kommerz-Wahn natürlich schauderhaft finde. Doch uralte Traditionen sind nicht so leicht totzukriegen - und haben die Eigenschaft, sich auch in geschickt wandelnden Gewändern dem Zeitgeist anzupassen um zu überleben. Weder sauertöpfische Spaßbremsen, verknöcherte Ideologen noch verknispelte Kleriker können dagegen etwas ausrichten. Das finde ich sehr beruhigend.
Trick or treat - Süßes oder Saures? Bei mir gibt’s jedenfalls heute Nacht einen irischen Whiskey am prasselnden Kaminfeuer, inklusive Feinstaub und beinhartem CO2. Hexen, Geister und Gevatter Tod dürfen gern mitfeiern. Kontrollfreaks, Gutmenschen und religiöse Regelschreiber dürfen draußen bleiben.
Heute ist Samhain. Habt Spaß, genießt das Leben, macht Blödsinn und schickt all die sich rapide vermehrenden Miesmacher zum Donnerdrummel. Hier wird’s ohnehin bald noch finster genug.
Um mit einem grandiosen passenden Zitat aus „Game of Thrones“ zu schließen:
„Es gibt nur einen Gott - und sein Name ist Tod. Und es gibt nur eines, was wir dem Tod sagen: NICHT HEUTE!“
Ein frohes, feuriges, erquickliches Samhain wünsche ich Euch allen.
Jörg Schneidereit