Donnerstag, 15. Oktober 2009

Hört eine Lüge auf, Lüge zu sein, wenn sie anders bezeichnet wird?

Es geht um eine Festrede Köhlers, in der er laut "Welt" (Springer) "einige tatsächlich sachlich unzutreffende Sätze" gesagt hat. Köhler (bzw. sein Redenschreiber) erfand für seine Rede "Tatsachen", die zwar in sein ideologisches Weltbild passen, aber in keinster Weise den historischen Tatsachen entsprechen. Es hilft dabei auch wenig, wenn die "Welt" in ideologisch korrekter, aber dafür lächerlicher Weise schreibt: "aber sie [die Lügen Köhlers] entsprachen den Befürchtungen, die in Leipzig bei den Menschen vorherrschten, die dennoch am 9. Oktober 1989 an der Montagsdemonstration teilnahmen." Gehören solche "Mißverständnisse" ("Welt") nicht zum Geschäftsalltag dieses Bundespräsidenten? Nun könnte ich zum Thema Köhler, Lüge und Leipzig schreiben, doch interessanter scheint es mir zu sein, einige grundlegende Gedanken über diese "Wendezeit" darzulegen.
Was tat ich damals am 9. Oktober 1989? Ich saß in der Erfurter U-Haftanstalt des MfS ein.
Was tat Köhler damals am 9. Oktober 1989? Wie war sein Verhältnis zur Bürgerrechtsbewegung in der DDR und vor allem, wie nutzte er seine bereits damals gehobene Stellung im Verhältnis zu dieser Bürgerrechtsbewegung? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, weil ich nicht so vergesslich bin, wie der große Rest des Volkes, daß die Partei Köhlers, namentlich die CDU, die Bürgerrechtsbewegung in der DDR erst sehr spät entdeckte. Faktisch erst, als das Ende der DDR sich bereits unausweichlich abzeichnete. Kein Schelm, wer dabei logisch denkt. Zuvor wurde jahrelang das Bemühen der SPD, mit der SED zu verhandeln, um Erleichterungen für die Deutschen in Ost und West durch Annäherung zu erreichen, in aller Öffentlichkeit diffamiert, denunziert und getadelt. Strauß, zwar jederzeit öffentlich gegen das Regime in Ostberlin und die SPD- Ostpolitik hetzend, sorgte als Lobbyist der BRD- Wirtschaft für eine Verlängerung des Ostberliner Regimes, als er Milliarden nach Ostberlin transferierte. Zum Zweck, weiterhin Qualitätsprodukte zum Schleuderpreis für den westlichen Markt einkaufen zu können und westliche Produkte wegen bestehender Embargopolitik zu überhöhten Preisen auszuführen. Für dieses Profitinteresse war die Mauer ein willkommenes Instrument, in die eigene Tasche wirtschaften zu können. Auch Kohl, der sich gerne als "Kanzler der Einheit" feiern läßt, sprang erst sehr spät auf den Zug auf. Zuvor tat er alles, um die Gleise zu blockieren. Geißler, der sich heute, da er nicht mehr an den Trögen sitzt, zu Attac bekennt, bezeichnete damals die SPD wegen ihrer Ostpolitik als "die fünfte Kolonne Moskaus". Zu alldem sagte Köhler verständlicher Weise nichts in seiner Festrede. Für diese Tatsachen war kein Raum in seiner Rede, dafür aber für seine erfundenen "Tatsachen", für seine Lügen.
Köhler sprach auch kein einziges Wort darüber, welche Rolle er damals als höchster Regierungsbeamter, nämlich als zuständiger Staatssekretär für die sog. Treuhandanstalt*, spielte. Er war maßgeblich am organisierten Raub, an Milliardenbetrügereien zum Schaden der Deutschen in Ost und West beteiligt. Er war dafür zuständig, daß Millionen ihre Arbeit verloren, die funktionierende Wirtschaft vernichtet wurde, ja selbst ernstzunehmende westliche Unternehmer keinen Zugang zu Treuhandgeschäften erhielten, zum Zwecke, daß diese Geschäfte der menschlichen Heuschreckenplage, der Profitgier, allein zu dienen hatten. Es war nicht allein die Profitgier, sondern auch das ideologische Ansinnen, daß NICHTS, aber auch gar nichts von dem übrigbleiben durfte, für das die Menschen in Leipzig auf die Strasse gegangen sind! Die Menschen in Leipzig wollten keine BRD, sie wollten eine lebenswertere DDR. Darüber verlor Köhler kein Wort, er hätte sich selbst anklagen müssen! Wir zahlen heute noch dafür und das nicht wenig, demzufolge ist dieses Thema nach wie vor aktuell. Das sei besonders denjenigen in ihr Buch geschrieben, die meinen, es sei doch alles nur Schnee von gestern. Es wird Zeit, daß dieser Schnee endlich abtaut, um den Boden darunter bestellen zu können. Ohne all die Köhler, die man dann mit dem sichtbar werdenden Dreck im Nirwana der Geschichte entsorgen wird. An den Taten werdet ihr sie erkennen oder etwa nicht, Christ"demokrat" Köhler? Köhler verlor auch kein Wort über seine Parteifreundin Merkel und ihre Rolle in der DDR. Dabei wäre es doch interessant gewesen, zu hören, welche Rolle die bis zur Wende überzeugte Stalinistin Merkel in diesen Tagen noch spielte. Auch die Merkel fand dafür in ihrer Festrede kein einziges Wort, auch keins über ihre vermeintliche MfS- Tätigkeit als IM Erika und die Überwachung des Bürgerrechtlers Habermas. Dafür fanden sie aber "mißverständliche" Worte...
Was danach aus Köhler wurde, wissen wir. Er wurde zum Chef des IWF befördert und später Bundespräsident der BRD.


* u.a. lesenswert hierzu "Raubzug Ost: Wie die Treuhand die DDR plünderte" von Klaus Huhn
** unter NetNewsGlobal wurde der Verweis zu meinem Artikel unter dem Vermerk "Zur Sache" verlinkt. "Zur Sache" bezieht sich dabei nicht auf die Aussage meines Artikels, sondern lediglich auf meine Buchempfehlung in Sachen Verbrechen der "Treuhand" bzw. auf den Autor des Buches K. Huhn. Der Link verweist auf eine "Focus"- Meldung, in der ohne Quellenangabe auf eine MfS- Tätigkeit des Huhn hingewiesen wird. "Fakten, Fakten, Fakten"- Focus liefert hierbei keine Fakten, sondern lediglich Behauptungen, die nicht nachprüfbar sind.  Desweiteren ist der Verfasser des Focus- Artikels ungenannt. Kenner der Szene wissen derartige Medienberichte einzuschätzen. Es liegt mir fern, eine (mutmaßliche) MfS- Tätigkeit des Huhn zu decken bzw. zu verteidigen, doch selbst, wenn die Focus- Anschuldigungen den Tatsachen entsprechen, stellt sich die Frage, inwieweit dadurch die Aussagekraft des Huhn- Buches bzw. dessen Wahrheitsgehalt darunter leiden soll? Eine Stasie- Nähe würde eher für eine erhöhte Sachkenntnis stehen und im Gegensatz zum Focus, bleibt Huhn keine Quellenangabe schuldig und bezieht sich in seinem Buch bevorzugt auf "unverdächtige" Quellen gegenüber seiner eigenen ideologischen Einstellung (Regierung, Spiegel usw.). Ich kann dieses gut zu lesende Buch nur weiterempfehlen. Es behandelt zwar die Verbrechen der Treuhandanstalt, doch ist es in unseren Tagen fortführend lehrreich, weil es zeitgleich und ungewollt die Vorgänge um die sogenannte Banken"krise" (Krise = altgriech. für Gericht, doch wie wird Gericht gehalten, wenn die Täter allein in der BRD, ohne Verhandlung 500.000.000.000 €  zusätzliche Einnahmen erhalten?) für den Normalbürger beleuchtet. Einige Mittäter werden benannt (z.B. Köhler), sind identisch und ihre Gaunereien von heute nur eine Fortsetzung ihrer alten Gaunereien. Die Gaunereien wären einen Focus- Artikel wert? Nein, dafür ist der Focus nicht geschaffen worden...
*** Offener Brief des Hamburger Rechtsanwaltes Armin Fiand
**** aktueller Huhn- Kommentar zum Thema

4 Kommentare:

  1. Also mich wundert Köhlers Rede überhaupt nicht. Das ist die Fortsetzung der Politik der letzten 20 Jahre: den Leuten ständig einzureden, wie schlecht, bösartig, diktatorisch und menschenverachtend die DDR gewesen war. Oder sein sollte. Damit der dumbe Ossi entlich begreift, das er gefälligst glücklich zu sein hat. Immerhin darf er jetzt in Freiheit leben. Und wenn es den meisten Menschen schon nicht gut geht im Lande, muß man es Ihnen eben suggerieren. Ergo so eine Art "gefülltes Wohlbefinden."
    Das Dumme ist nur, daß man sich so wenig Mühe gibt beim zurecht schustern der Geschichte.
    Nur ein kleines Beispiel:
    Als ich noch zur Schule ging, starben in den KZ´s ca. 3-4 Mill. Juden.
    Mittlerweile sind wir bei "über 6 Mill.!!" angekommen. man schaue nur mal in die Probaganda-Page Spinnepedia. Rechnet man aber genau dort die angegebenen Toten für jedes KZ einzln zusammen, kommt man gerade mal auf knapp 4 Mill. Alles zusammen wohlgemerkt!
    Mit der Geschichte ist es nun halt genau so, wie mit unserer Meinung. Die hat so zu sein, wie es Linkspopulisten, Volkstreter..ähm ..Vertreter, schuldigung und ähnliche Typen gerade brauchen.
    Villeicht hat Köhler aber auch gedacht, wenn man sich an seine letzte Rede nicht mehr erinnern kann, dann bestimmt auch nicht an Ereignisse, die 20 Jahre zurück liegen. Kann doch möglich sein, oder? Und was ist schon so ein klitzekleines Verdrehen von Tatsachen, gegen die tägliche Gehirnwäsche unserer Medien?
    Achso, das darf man ja nicht sagen. Naja, noch wurde ich ja nicht verhört, inhaftiert und auch noch nicht gefoltert. Ich hoffe das bleibt auch so.

    Bis zum nächsten mal.

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  2. Das die Totenzahlen der KL regelmässig korrigiert wurden, sowohl nach oben und unten, ist auch mir nicht entgangen. Ich vertrete das Prinzip, daß kein Mensch wegen seiner Meinung eingesperrt werden darf. Und zur Meinung zählt für mich auch die Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, Partei usw. Schauen wir beispielsweise auf Guantanamo, dann sollte spätestens dabei klar werden, dass die Erinnerungspolitik heuchlerisch daherkommt und nur zum Machterhalt dient. Denn Prinzipien sind unantastbare Werte einer Kultur. Verkommen sie zur ideologischen Beliebigkeit, sind sie nichts wert.

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  3. Hi,

    ich bin der neue Verantwortliche bei NNG. Zu einer Nachricht einen Link mit einer Anmerkung hinzufügen kann bei NNG jeder Moderator. Ich habe von dem hinzugefügten Link zur Diskreditierung von Klaus Huhn nichts mitbekommen.

    Wer das bei NNG warum getan hat, weiß ich nicht. Womöglich ist da jemand bei NNG Moderator, der Horst Köhler ganz toll findet nd ganz viel Hass auf Linke, Kommunisten und die Stasi hat. Mal schauen, wir übrig gebliebenen Moderatoren lernen uns gerade erst kennen.

    Ich finde, zur Qualität der von Klaus Huhn vorgetragenen Argumente bezüglich der von Horst Köhler vorgetragenen Lüge sagt eine frühere Stasi-Zusammenarbeit jedenfalls nichts aus. Ich finde aber auch, dass ich das ertragen kann, wenn da jemand einen Link hinzufügt, den ich für unpassend halte.

    Hätte ich den Link gesehen, hätte ich vielleicht einfach noch einen Link dazu druntergepackt, wie die Stasi-Keule von der westlichen Mainstreampresse und Rechtsaußen zur Diskreditierung von ehemaligen DDR-Bürgern eingesetzt wird - und womöglich noch einen zweiten, der aufzeigt, wie viele westliche Journalisten für westliche Geheimdienste gearbeitet haben und immer noch arbeiten. Das es da Überschneidungen gibt, liegt ja inhaltlich auch nahe: Nachrichtenmagazin, Nachrichtenagentur und Nachrichtendienst beschäftigen sich alle mit der Gewinnung und Verwertung von Nachrichten.

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  4. Hi Marcel,
    im Grunde bin ich dem Moderator dankbar. Er hat mich auf einen Focus- Artikel aufmerksam gemacht, den jeder per Google hätte finden können. So war es mir möglich, meinen Senf bezüglich den Focus abzugeben.
    Allerdings habe ich den Senf in puncto NNG modifiziert und meine Spitze gelöscht. Der Anlaß dazu war Deine Nachricht, für die ich mich auf diesem Weg bedanken möchte.
    Ich hoffe, daß Projekt NNG stabilisiert sich wieder und ich wünsche Euch viel Erfolg.

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